Kunst im Park – Sonsbeek 2008
Ein Elefant wartet geduldig am Marktplatz, bis eine Menschenmenge erscheint und ihm ein Tuch überhängt. Dahinter folgen feierlich schauende Sportler, die einen liegenden Baum durch die Strassen schieben, Kindern, die einen großen, transparenten Ballon an Schnüren halten, ein anderer trägt eine Stalinbüste und ein Pferdegespann zieht einen bunten Luster durch die Straßen. Dreißigtausend Menschen schauen dieser ungewöhnlichen Prozession durch die Innenstadt von Arnheim zu. „Grandeuer“ ist das Thema dieses Festzugs und zelebriert wird hier in der holländischen Grenzstadt weder eine Religion noch eine Tradition. Anlass ist eine Ausstellung, die Skulptur-Projekte Sonsbeek 2008.
Es ist die 10. Ausgabe der Freiluft-Ausstellung, die 1949 erstmals im Sonsbeek-Park stattfand. Damals kamen 125.000 Besucher, um Skulpturen von Wotruba bis Picasso zu sehen – eine Besuchermenge, die nie wieder erreicht wurde. Knapp ein Zehntel fühlten sich 2001 von Jan Hoets Auswahl angesprochen und so beschloss die diesjährige Kuratorin, die Kunstkritikerin Anna Tilroe, diesmal die Bevölkerung intensiver einzubinden. Tilroe gründete Gilden, diese für Holland typischen Zusammenschlüsse von Kaufleuten. Jedes der 26 Kunstwerke erhielt eine eigene, bereits bestehende und neu gegründete Gilde: für Fernando Sanchez Castillos spuckende Diktatoren setzen sich Rechtsanwälte ein, Architekten für Tomas Saracenos Ballonkonstruktion, die irgendwann als fliegende Räume funktionieren soll und jetzt noch wie Bienenwaben zwischen den Bäumen parkt, und für Michel François´ Baum Sportler.
Dieser 25jährige Baum liegt mit dem verpackten Wurzelwerk auf einer kleinen Anhöhe, zwischen Himmel und Erde balancierend, von Gleichgewicht und Schönheit sprechend, von Entwurzelung und Verletzbarkeit. Damit der Baum nicht stirbt, muss sich die Gilde den ganzen Sommer permanent um die Linde kümmern. François´ Beitrag ist mit Abstand das sowohl bildlich als auch inhaltlich stärkste Werk. Überraschend und lustig sind Castillos Diktatoren im Teich, bewegend Marijke van Warmerdams Video mit der Großaufnahme eines Elefanten-Auges, brachial steht Lara Schnitgers fünf Meter hohe ´Prinzessin´ aus überdehnten Materialien für „female power“ im Park.
Die meisten KünstlerInnen von Sonsbeek 2008 hier sind wenig bekannt. Tilroe wählte sie aus, weil sie in ihr Konzept passen: Sie will mit der Ausstellung eine Geschichte erzählen, von Erinnerung, Illusion, Traum, Konflikt und Kampf, will ´Grandeur´, also Großartigkeit ins Gespräch bringen – und sieht Kunst als einen Weg dazu. Das ist ein spannendes Konzept, bedarf aber gerade in Sonsbeek hervorragender Werke, weil die Ausstellung sonst nur ein netter Erlebnispark für Familienausflüge ist. Das ist ein Anspruch, dem sich bisher jede Edition stellen musste, und die am Anfang des 21.Jahrhunderts vielleicht besonders schwer zu meistern ist, weil immer weniger KünstlerInnen wie hier im Park über ein solides Mittelmass hinauskommen – zu oft erliegen die Werke der Gefahr, mit allzu vielen Andeutungen und Bezügen überladen zu werden. Aber dann bleibt ja noch der Park.
Sonsbeek 2008: Grandeur, Sonsbeek Park, Arnheim, 13.Juni bis 21.September 2008
veröffentlicht in: Die Presse, 8.7.2008