Takashi Murakami in der Fondation Louis Vuitton

30. Apr. 2018 in Ausstellungen

Takashi Murakami, Courtesy Fondation Louis Vuitton

Takashi Murakami, Courtesy Fondation Louis Vuitton. Foto Martin Raphaël Martiq

Herzstück eines Museums ist seine Sammlung. Nur eignet sich die pure Präsentation selten als Publikumserfolg. Dafür hat die Fondation Louis Vuitton in Paris jetzt eine wirksame Lösung gefunden: Unter dem sehr offenen Titel „Im Einklang mit der Welt“ sehen wir in fünf Sälen rund 100 Werke von 28 Künstlern, alle aus dem Besitz des Multimilliardärs Bernand Arnault.

Christian Boltanski, Animitas, 2014. Courtesy Fondation Louis Vuitton

Christian Boltanski, Animitas, 2014. Courtesy Fondation Louis Vuitton /Christian Kain

Großartige Werke von Meistern des 20. Und 21. Jahrhunderts kommen da zusammen, von Henri Matisse, Yves Klein, Matthew Barney, Christian Boltanski, Pierre Huyghe Aquarium mit dem schwebenden Stein und den kleinen Lebewesen.

Pierre Huyghe, Thrisha Donelly, Sigmar Polke. Courtesy Fondation Louis Vuitton / Marc Domage

Pierre Huyghe, Thrisha Donelly, Sigmar Polke. Courtesy Fondation Louis Vuitton / Marc Domage

Gemeinsam ist allen Werken die Frage, wie wir die Stellung des Menschen im Universums denken. Und dann sind da die drei Säle für einen einzigen Künstler: Takashi Murakami.

Takashi Murakami, Fondation Louis Vuitton / Marc Domage

Takashi Murakami, Fondation Louis Vuitton / Marc Domage

Der japanische Superstar reiste eigens an, um die Präsentation selbst zu übernehmen: die großen Bilder, in denen niedliche Comicfiguren in einer Explosion von Farben und Formen, Pilzen und Blumen auf Bergen von Totenköpfen thronen.

Takashi Murakami, Fondation Louis Vuitton / Marc Domage

Takashi Murakami, Fondation Louis Vuitton / Marc Domage

Der zweite Saal mit dem raumfüllenden Rundum-Installation, in der es auf Tapeten, Bildern und Skulpturen ausschließlich von lachenden Blumenköpfe wimmelt.

Takashi Murakami, Fondation Louis Vuitton / Marc Domage

Takashi Murakami, Fondation Louis Vuitton / Marc Domage

Höhepunkt ist der dritte, erstmals ausgestellte Saal: Inmitten eines gigantischen, 35 Meter langen Freskos mit Tintenfisch und historischen Figuren steht eine riesige Skulptur in Form einer Welle. Aber thematisiert Murakami hier überhaupt die Stellung des Menschen, dreht sich nicht alles nur um ihn? „Kunst ist das Ergebnis eines inneren Reisenden. Was man in meinen Arbeiten sieht, ist diese Reise“, sagte er dazu im Interview. Zum dritten Raum erklärt: „Es handelt von den Acht Unsterblichen der taoistischen Religion. Ein japanisches Sprichwort sagt, dass der Tintenfisch seine Tentakel frisst, wenn es nichts zu essen gibt. Ich bin wie dieser Oktopus.“ In grandioser Verdichtung konsumiert er darin die japanische Kulturgeschichte, die Katastrophen unserer Zeit von Hiroshima bis zu Fukushima, sein eigenes Werk.

Takashi Murakami, Fondation Louis Vuitton / Marc Domage

Takashi Murakami, Fondation Louis Vuitton / Marc Domage

Soweit war alles klar. Aber hat er dann wirklich ´Gicht´ gesagt? Beim Gespräch sitzt Murakami mit Dolmetscherin am Tisch, die mitschreibt und kaum zum Einsatz kommt, Murakami spricht Englisch. Allerdings ist er schwer zu verstehen. Hat er wirklich das Anschwellen von Gelenken als Grund genannt, warum Mr. DOB so merkwürdig aussieht? Mit dieser Figur wurde Murakami berühmt: ein großer Schädel mit riesigen Ohren, auf denen die Buchstaben D und B stehen, das O ist der Kopf in der Mitte. Vielleicht schreibt die Dolmetscherin gar nicht die Fragen mit, sondern Stichworte seiner Antworten, damit er nachher weiß, wem er welche Geschichte aufgetischt hat? Vorab las ich, sein Atelier in New York hieß Anfangs Hiropon, Anfang der 2000er Jahre benannte er es in Kaikai Kiki um. Den Namen erklärte er einmal als die Beschreibung „mutig, stark, sensibel“, die von einem Kritiker im 16. Jahrhundert für den Maler Eitoku Kano stammt. Ein anderes Mal soll der Name auf die Kano Schule zurückgehen, eine Maler-Dynastie. Oder wimmeln seine Interviews von Übersetzungs-Missverständnisse?

Takashi Murakami, Fondation Louis Vuitton

Takashi Murakami, Fondation Louis Vuitton / Martin Raphael Martiq

SBV: Sie bezeichnen Mr. DOB oft als Ihr Alter Ego – haben Sie die Figur dafür erschaffen oder war es Anfangs nur eine Fantasiefigur?
Takashi Murakami: Ganz am Anfang stand dahinter ein ganz anderes Konzept, es war eine Reaktion auf die so seriösen Botschaften von Barbara Krüger und Jenny Holzer. Also habe ich diese Figur erfunden, auf T-Shirts gedruckt und selbst getragen. Die Menschen liebten es, fanden sie gar nicht kritisch, sondern niedlich – und wollten auch welche. Ich habe die wieder und wieder gedruckt, bis es mir wie mein Selbstportrait erschien – auch wenn ich ganz anders bin und so breit gar nicht lache. 
SBV: Warum haben Sie dafür den Stil der japanischen Manga-Comic aufgegriffen?
Takashi Murakami: Damals waren Mangas allgegenwärtig und über die niedlichen Figuren konnte ich meine Kunst leichter verdaulich machen.
SBV: Ist es eine Mischung zwischen Mickey Mouse und einem Monster, zwischen niedlich und böse?
TM: Als ich die Figur kreierte, hatte ich die Gicht und dachte plötzlich an den Tod. Ich war ganz verwirrt, und wollte etwas schaffen, das dem entspricht. Anfangs war Mr. DOB ja weniger niedlich.
SBV: Warum ist im Laufe der Jahre der Mund von Mr. DOB immer größer und monströser geworden?
TM: Vielleicht weil ich sehr gefräßig bin und alles beißen will – darum!
SBV: Entstand Ihre Kaikai Kiki Co-Firma in Anlehnung an Andy Warhols Factory?
TM: Ich beschäftigte damals rund 50 Assistenten in meinem Atelier. Eines Tages kam die Steuerbehörde. Also habe ich einen Steuerberater eingestellt und meine Firma gegründet.
SBV: Was bedeutet der Name?
TM: Wir hatten in Japan über dreihundert Jahre lang eine Art Schule. Anfangs waren über einhundert Menschen dort angestellt, sie hatten Textbücher für die Schüler. In der dritten Generation gab es einen Schüler, der besonders gut war, er war Kaikai Kiki. Er kreierte dieses neuartige Wort, aber er wollte nur ´großartig´ sagen. Das schien ihm zu simpel.
SBV: Haben Sie das gerade erfunden?
(Murakami stutzt. Die Dolmetscherin mischt sich ein, sagt etwas auf Japanisch und erklärt: Kano, der das Wort erfand, ist real.)
SBV: Aha. 2002 begannen Sie Ihre Entwürfe für Louis Vuitton-Taschen. War das auch der Start Ihrer umfassenden Merchandising-Produkte?
TM: Nein, davor habe ich ja schon viele Postkarten und T-Shirts gemacht. Der asiatische Markt ist anders, die Idee der westlichen Kunst wird dort noch nicht verstanden, das ist zu prestigevoll. Der asiatische Geschmack ist viel verspielter. Ich werde in Zukunft noch viel mehr solcher Produkte machen, mehr mehr mehr. Damit jeder sich einen Murakami kaufen kann.
veröffentlicht in: Die Presse, 21.4.2018
Fondation Louis Vuitton, Paris, bis 27.8.2018