Umsturz im Belvedere 21 – Werner Feiersinger

12. Okt. 2018 in Ausstellungen

Ausstellungsansicht „Werner Feiersinger. overturn“ Courtesy Galerie Martin Janda, Wien; Foto: Johannes Stoll, © Belvedere, Wien Alle Werke: Werner Feiersinger, Ohne Titel, 2018

Ausstellungsansicht „Werner Feiersinger. overturn“. Courtesy Galerie Martin Janda, Wien; Foto: Johannes Stoll, © Belvedere, Wien
Alle Werke: Werner Feiersinger, Ohne Titel, 2018

Bisher haftete dem unteren Ausstellungsraum im Belvedere 21 die Atmosphäre einer Gruft an: niedrige Deckenhöhe, dunkel durch die Fensterlosigkeit, gerne mit Einbauten zugestellt. Jetzt zeigt Werner Feiersinger hier seine großartige Einzelausstellung „Overturn“. Nur mit der auf dem Boden liegenden Struktur und drei Skulpturen hat er es geschafft, den Raum zum spannenden Kontext für seine Werke umzudefinieren. Wobei das ´nur´ ein Understatement ist. Denn darin steckt ein ganzer Kosmos.

Belvedere 21 Foto: Werner Feiersinger, Courtesy Galerie Martin Janda, Wien

Belvedere 21, Foto: Werner Feiersinger, Courtesy Galerie Martin Janda, Wien

Schwanzer, Krischanitz und Feiersinger
Zunächst zieht Feiersinger „den Blick auf den Boden“, um die niedrige Raumhöhe und die Unruhe durch die vielen Säulen auszugleichen, wie er erklärte. Dafür bedient er sich einer unerwarteten und doch so naheliegenden Referenz: Die Struktur der 12 x 5 Meter großen, 16 cm hohen Stahlreliefs in „Verkehrsweiß“, wie die Farbe heißt, ist aus dem Obergeschoß entlehnt. 1958 von Karl Schwanzer für die Weltausstellung in Brüssel gebaut, kam der Pavillon später nach Wien, wurde von 1962 bis 2001 als Museum des 20. Jahrhundert genutzt, kam dann zum Belvedere und erhielt 2007 von Adolf Krischanitz eine Rundumrenovierung. Feiersinger nimmt diese für den Pavillon so typischen Strukturen, legt sie flach auf den Boden, ändert den Rhythmus des Abstands und platziert die Skulpturen hinein, als wäre es ein Sockel. Aber nicht nur das: Von oben nach unten geholt, gedreht – und in eine autonome Skulptur transformiert! Ähnlich bezugsreich sind auch die drei anderen Skulpturen, einmal erinnert die Farbe an Schultafeln, das Blau lässt an Wasser denken – um die Schwere des Materials verschwinden zu lassen, wie Kurator Axel Köhne auf der Pressekonferenz erklärte. Das Braun wiederum nimmt die Farbe der Fassade des Schwanzer-Pavillons auf. In der Textur spielen die Skulpturen mit einer Nähe zur Malerei, in den Spuren der zunächst in Wachs geformten Objekte spielt das Thema der Produktionsweisen, Materialien und auch der Subjektivität hinein. Die „Formgebung der zwei vorragenden Elemente auf einer Sockelplatte“ (Ausstellungsbroschüre) wiederum beziehen sich auf den österreichischen Bildhauer Fritz Wotruba, dessen Privatstiftung im Haus untergebracht ist und für dessen Werk dieser Raum ursprünglich konzipiert wurde.

Werner Feiersinger, Ohne Titel, 2007 Courtesy Galerie Martin Janda, Wien; Foto: Johannes Stoll, © Belvedere, Wien Epoxidharz, 163 x 590 x 81 cm

Werner Feiersinger, Ohne Titel, 2007. Courtesy Galerie Martin Janda, Wien; Foto: Johannes Stoll, © Belvedere, Wien

Radikale Bereinigung
Und um die Skulpturen nicht vom Raum zerstören zu lassen, ließ Feiersinger sämtliche Einbauten entfernen, wodurch erstmals die von Krischanitz so subtil angelegten Fensteröffnungen in die beiden Tiefhöfe freigelegt sind. Im vorderen liegt eine weitere, eine ältere Skulptur von Feiersinger, ein umgedrehtes Boot, das jetzt an einen Sarg erinnert. „Overturn“ betitelt Feiersinger seine Ausstellung. „Umsturz“ kann sich auf dieses Boot beziehen, auf die Drehung des Stahlreliefs in die Horizontale, aber auch auf die radikale Bereinigung, die den Raum endlich von der Dunkelheit und den viel zu vielen Wandflächen befreit hat. Während der Pressekonferenz standen wir in dem ehemals als Restaurant genutzten Teil und schauten auf die Ausstellung durch eine Glasfront. Dadurch erschien der Raum wie eine Vitrine, was die Größen- und auch Raumordnungen spannend verwirrte. Mit „Overturn“ hat dieser Ausstellungsraum im Untergeschoß eine Qualität erhalten, die hoffentlich beibehalten werden kann.

Werner Feiersinger, Overturn, Belvedere 21, Wien. 12.Oktober 2018 – 6. Jänner 2019