Wiener Künstlerhaus als Albertina-Filiale?

03. Okt. 2015 in News

Kuenstlerhaus

 

 

Seit Jahren dümpelt das Künstlerhaus vor sich hin. Das Ausstellungsprogramm ist unübersichtlich, die Architektur in einem desolaten Zustand und seit mehr als zehn Jahren verdeckt ein Gerüst das Haus. Eine Generalsanierung ist in jeder Beziehung notwendig. Da kommt ein Angebot von Hans Peter Haselsteiner (HPH) gerade recht: Der Bauunternehmer will über seine Familienstiftung rund 30 Millionen Euro investieren und die jährlichen Betriebskosten übernehmen. Eine langfristige Kooperation mit der Albertina schlägt er vor, Klaus-Albrecht Schröder soll das Haus am Musikvereinsplatz mitnutzen. Es könnte dort auch Präsentationen aus Privatmuseen wie Essl (Klosterneuburg) oder Angerlehner (Wels) geben. Der jetzige Plan sieht vor, dass die Künstlervereinigung 75 Prozent der Nutzungsflächen, also das Theater, Kino und Cafe, behält. HPHs Familienstiftung bekäme „25 Prozent Nettonutzungsfläche, die an die Albertina weitergehen“, wie Peter Zawrel erklärt. Zudem könne HPH 50 Prozent der Ausstellungsflächen bespielen, manchmal aber auch das ganze Haus, das wäre dann von Projekt zu Projekt zu entscheiden. Zawrel ist Geschäftsführer des Künstlerhauses. Gemeinsam mit Präsident Michael Pilz jubelt er über das Angebot. Einige Mitglieder dagegen sind tief verschreckt.

Kuenstlerhaus-1870

c B. Kralik

Das Künstlerhaus (KH) wurde 1865-´68 errichtet und gehört der Gesellschaft bildender Künstler Österreichs. Aus diesem Verein spaltete sich 1897 die Künstlervereinigung Wiener Secession ab, bald darauf erbaute Josef Maria Olbrich das berühmte Gebäude mit der leuchtend goldenen Kuppe am Naschmarkt. Diese Situation mit zwei Künstlervereinigungen, die im Besitz eines eigenen Hauses sind, ist weltweit einzigartig. Geht es nach HPH, hat das aber bald ein Ende. Denn sein Vorschlag sieht auch vor, dass eine gemeinsame Besitzgesellschaft gegründet wird. Darin hält dann die Haselsteiner Familienstiftung 74 Prozent der Anteile und wird ins Grundbuch eingetragen. Der Künstlervereinigung würden 26 Prozent gehören, also eine Sperrminorität – eine einseitige Entscheidung zum Verkauf der Immobilie wäre dadurch ausgeschlossen, die Idee von Alleinentscheidungen aber auch.

All das sollte auf der Mitgliedervereinigung vor einigen Tagen beschlossen werden – allerdings war da der Vertrag noch gar nicht ausgearbeitet. Ona B., Malerin und Mitglied der Vereinigung, bezeichnet die Abstimmung als „Blindflug“. „Wir haben aber erreicht, dass wir darüber in einer außerordentlichen Generalversammlung gesondert abstimmen und über den Vertrag vorher schriftlich informiert werden,“ erzählt sie. „HPH macht ein geschicktes Konstrukt, am Ende zahlt er für das Sanieren eigentlich nichts, weil die sanierte Immobilie dann einen höheren Wert hat und er Mehrheitseigentümer ist.“ Tatsächlich steht das KH unter strengem Denkmalschutz, was den Wert – saniert oder nicht – massiv drückt. Aber nicht nur der Eintrag in das Grundbuch, auch das Konzept schreckt die Mitglieder: „Braucht Wien wirklich noch ein 08/15-Museum und verliert dafür etwas Einzigartiges – ein von Künstlern selbstbestimmtes Haus?“ fragt Ona B. Geschäftsführer Zawrel wendet dagegen ein, dass die ´Selbstbestimmung´ in der Zukunft finanziell nicht gesichert sei. HPH sei bereit, für 700.000 Euro jährliche Kosten aufzukommen – wie will das Künstlerhaus das aus eigenen Mitteln schaffen? Und die Sorge der Mitglieder, selbst nicht mehr ausstellen zu können? Zawrel: „Eine Idee ist es, das Souterrain auszubauen und mit der Galerie Passage zu verbinden – das würde noch 700 Quadratmeter weitere Ausstellungsfläche schaffen.“

c Gugerell

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Aber das beruhigt Ona B. nicht. Sie sieht die „Drittellösung“ als Chance: 2002 unter Präsident Manfred Nehrer angedacht, sollten Bund, Stadt und KH die Sanierungskosten zu je einem Drittel tragen. „Fakt ist, dass Bund und Stadt das KH im Stich lassen und diese Situation geschaffen haben.“ Daher schlägt sie vor, HPH könne das Drittel des KH übernehmen, komme nicht ins Grundbuch, erhalte einen Nutzungsvertrag, „der abläuft, sobald die Sanierungskosten einer vergleichbaren Miete im Wert entgegenstehen“. Es spreche nichts gegen Haselsteiners Engagement, „aber die Konditionen für die Künstler müssen besser sein“ – ob sich Staat, Stadt und der Bauunternehmer darauf einlassen wollen? Oder werden die Mitglieder erstmals in ihrer Geschichte einem Rettungsversuch zustimmen?

NACHTRAG: „Die Secession besitzt im Gegensatz zum Künstlerhaus nicht das Gebäude. Es wurde zwar von der Secession errichtet und bezahlt, danach jedoch sehr bald um einen symbolischen Betrag an die Stadt Wien verkauft, von der wir es um einen symbolischen Preis mieten.“ Herwig Kempinger, Präsident Wiener Secession

veröffentlicht in: Die Presse, 2.10.2015