Nepal Art Now im Weltmuseum Wien

17. Jul. 2019 in Ausstellungen

Asha Dangol, Aftermath, Acryl auf Leinwand, 2015 © Asha Dangol

Asha Dangol, Aftermath, Acryl auf Leinwand, 2015 © Asha Dangol

Viele Länder sind in den letzten Jahren auf die Landkarte der zeitgenössischen Kunst gelangt. Nepal gehörte bisher nicht dazu. Das ändert sich langsam. Jetzt wagt sich das Weltmuseum Wien an „Nepal Art Now“, eine Überblicksausstellung mit rund 130 Werke von über 40 KünstlerInnen.
Solche Länderschwerpunkt-Ausstellungen sind äußerst heikel. Kann man anhand einer kleinen Auswahl die Vielfalt einer Kultur zeigen? Gibt es so etwas wie eine ländertypische Ästhetik? Wie kann genügend Wissen über Land und Kultur vermittelt werden, um überhaupt ein Verständnis jenseits von Klischees zu erreichen? Gerade die letzte Frage ist bedeutsam bei diesem Land, das in den 1970er Jahren als Sehnsuchtsort von Blumenkindern und Aussteigern galt. Heute ist Nepals Hauptstadt Kathmandu so verschmutzt, dass viele Menschen Atemmasken tragen. 2015 zerstörte ein schweres Erdbeben mehr als 800.000 Gebäude, seither stapeln sich in den Straßen Ziegelhaufen, immer wieder sieht man Häuserruinen und Baugerüste. Und statt Hippies bevölkern Scharen von Bergsteigern die Stadt.

Laxman Shrestha, oT, 1980er © Siddhartha SJB / Nilima Rana, Foto: Kailash K Shrestha

Laxman Shrestha, oT, 1980er © Siddhartha SJB / Nilima Rana, Foto: Kailash K Shrestha

Kunst spielt hier kaum eine Rolle. Dabei gibt es in Nepal eine Kunsthochschule, Künstlerräume und auch Galerien. 2017 fand die vielbeachtete 1. Kathmandu Triennale statt, die sich aus dem Kathmandu International Art Festival (KIAF) entwickelte. Jetzt also sind nepalesische KünstlerInnen erstmals zu Gast in Wien – und es zeigt sich, dass in dem Land am Fuße des Himalaya beretis seit den 1960er Jahren die Kunst in Korrespondenz mit den internationalen (sprich: westlichen) Entwicklungen stand, etwa die abstrakte Malerei von Lain Singh Bangdel (1919-2002). Seine Bilder gelten als der Beginn der Moderne in Nepal. Oder Laxman Shrestha (1939), den König Mahendra Anfang der 1960er Jahre überreden konnte, von Paris zurück nach Nepal zu kommen, wo er dann die nepalesische Landschaftsmalerei nachhaltig prägte.

Manuj Babu Mishra, Mona Lisa and Manuj Babu, 2006 © Prithivi Bahadur Pande, Foto: Kailash K Shrestha

Manuj Babu Mishra, Mona Lisa and Manuj Babu, 2006 © Prithivi Bahadur Pande, Foto: Kailash K Shrestha

Aber nicht alle KünstlerInnen verschrieben sich der westlichen Kunstsprache, manche wie Manuj Babu Mishra (1936-2018), Shashi Bikram Shah (1940) oder Ragini Upadhyay Grela (1961) integrieren folkloristische Motive, religiöse Mythen und Rituale in ihre Bilder. Viele studierten im Ausland, nicht nur in westlichen Zentren, sondern auch in Indien, Pakistan und Russland. In ihren Werken finden die verschiedenen Einflüsse zu einer neuen Sprache, die wir ohne Anleitung allerdings kaum decodieren können. So erinnern uns Pramila Giris Skulpturen an die Werke des russischen Konstruktivismus, sind allerdings stark mit der Hindu-Philosophie verbunden und stammen von esoterischen Formen.

Ang Tsherin Sherpa, Shambhala, 2013 © Ang Tsherin Sherpa, Foto: Kevin Wright

Ang Tsherin Sherpa, Shambhala, 2013 © Ang Tsherin Sherpa, Foto: Kevin Wright

Diese Informationen stammen aus dem hervorragenden Ausstellungskatalog, in dem Sangeeta Thapa einen konzentrierten Überblick über die Kunstentwicklung Nepals gibt. Im zweiten Teil des Katalogs wird jede Künstlerin, jeder Künstler auf mehreren Seiten mit ausführlichen Erklärungen vorgestellt, verbunden mit Informationen zum kulturellen Hintergrund. So lernen wir, dass Ang Thserin Sherpa in seinem Werk tibetanische Traditionen aufgreift, die er mit nepalesischer Ikonographie verbindet und darüber die Frage der kulturellen Identität stellt.

Manish Harijan, The Kali - Odalisque, 2016 © Prithivi Bahadur Pande, Foto: Kailash K Shrestha

Manish Harijan, The Kali – Odalisque, 2016 © Prithivi Bahadur Pande, Foto: Kailash K Shrestha

Manish Harijan (1985) kombiniert ikonische Elemente in seinen Bildern, in „The Kali“ treffen Bhairava, Botticelli und Michelangelo aufeinander, dazu die US-Freiheitsstatue und die Zunge der Göttin Kali. Harijan fragt, ob es eine „lokale Identität in dieser globalen Welt gibt“, wie er im Katalog schreibt, „wer entscheidet, was wie sichtbar gemacht wird? Wer kontrolliert unsere Erzählungen?“. Den Affen unten rechts im Bild erklärt er als eine Figur, die „beschützt und zerstört“.

Hit Man Gurung, We are at War without Enemies, 2016 © Prem Prabhat Gurung, Foto: ArTree Nepal

Hit Man Gurung, We are at War without Enemies, 2016 © Prem Prabhat Gurung, Foto: ArTree Nepal

Gerade in Länderschwerpunkt-Ausstellungen sind solche Information absolut notwendig, um nicht in Klischeefallen zu tappen – und dies insbesondere in einem ethnographischen Museum, dass Artefakte aus aller Welt beherbergt. Denn „Nepal Art Now“ findet in direkter Nachbarschaft zur ständigen Sammlung des Weltmuseums statt. „Es ist mir ein besonderes Anliegen, dass im Weltmuseum nicht ausschließlich historische Sammlungsbestände ausgestellt werden“, erklärt Direktor Christian Schicklgruber, und „Nepal Art Now“ solle nicht nur helfen, „die Rolle des Westens im internationalen Kontext neu zu bestimmen,“ sondern auch zeigen, „wie sich das Lokale, das Nationale und das Globale durchdringen“. Dieser Anspruch ist zwar in der sorgfältigen Auswahl der Werke eingelöst, und zudem lernen wir in dem Wechsel zwischen spirituell-religiöser Malerei, folkloristischen Motiven und einer universalen Bildsprache tatsächlich einiges über die Kunstszene Nepals – wenn wir den Katalog dazu lesen. Aber es bleibt trotzdem ein schaler Unterton, da die Kunst in diesem Kontext unausweichlich  exotiziert wahrgenommen wird.

Nepal Art Now, Weltmuseum Wien, 11. April – 6. November 2019. Kuratoren: Dina Bangdel 1963-2017), Swosti Rajbhandari Kayastha, Christian Schicklgruber