Lorenzo Rudolf über Kunstpreise und Art Stage Singapur

28. Jan. 2015 in Interview, Kunstmesse

Lorenzo Rudolf (l) im Gespräch mit Jorge Perez // SBV

SBV: Art Stage hat zusammen mit der US-Botschaft in Singapur, also in einem Land ohne Pressefreiheit, einen mit 5000,- $ dotierten Kunstpreis lanciert, der Joseph Balestier Preis für Freiheit – ist das nicht eine politisch überraschende Entscheidung?

Pablo Baen Santos (geb. 1943, Philippinen), Oplan Tumba, 2007

Lorenzo Rudolf: Wenn man einen Preis für Meinungsfreiheit macht, hat das sicher auch eine politische Komponente – darüber müssen wir gar nicht diskutieren. Aber letztendlich ist es ein Kunstpreis, und es geht vor allem um die Freiheit in der Kunst. Es ist wichtig in dieser Region klarzustellen, dass Kunst nicht nur ästhetische Dekoration oder perfektes Handwerk ist. Der zeitgenössische Künstler zeichnet sich durch seine Haltung aus – was immer das ist. Es muss nicht unbedingt politisch sein. Mit dem Kunstpreis wollen wir jene Künstler auszeichnen, die eine Haltung bewiesen haben, die gekämpft haben, eingestanden sind für ihre Überzeugung, für die Freiheit des Ausdrucks.

Svay Sareth (geb. 1972, Kambodscha), Mon Boulet, 2011: 5-Tages Performance von Siem Reap bis Phnom Penh

SBV: Warum mit den USA zusammen, die ja nicht mehr für Freiheit des Ausdrucks, kaum mehr für Freiheit überhaupt stehen?
Lorenzo Rudolf: Wir müssen ein bisschen aufpassen: Die USA war lange ein Land, in dem  Freiheiten möglich waren wie kaum woanders. Seit einem gewissen Datum hat sich die USA geändert, das wissen wir auch. Wir wissen auch, dass Sachen passiert sind wie Abu Ghuraib – aber immerhin wird das in den USA nicht verschwiegen, sondern diskutiert, auch in den Medien. Das ist ein Zeichen der Freiheit.

 

Nadiah Bamadhaj (geb. 1968 in Malaysia, lives in Indonesia), The Continued Siege of the Already Assimilated, 2014

SBV: Wie ist der Preis zustande gekommen?
Lorenzo Rudolf: Wir sind von dem US-amerikanischen Botschafter Kirk Wagar angefragt worden, der sich auch in seinem Privatleben immer für Minderheiten eingesetzt hat. Nach langen Gesprächen mit ihm kam ich zu der Entscheidung, den Preis zu starten – denn es ist ganz wichtig, dass wir hier in der Region diese Diskussion führen: die Frage der Meinungsfreiheit, aber auch nach der Rolle der Kunst.

Singapur // SBV

SBV: Warum hat sich der Botschafter eine Kunstmesse und nicht eine Versicherung oder sonst einen Partner für den Preis gesucht?
Lorenzo Rudolf: Er kommt aus Miami und kennt die von mir dort mit der Art Basel initiierte Entwicklung. Außerdem ist die Art Stage im Moment und auf absehbare Zeit die einzige Veranstaltung hier in Südostasien, die eine Plattform von dieser Bedeutung hat, um eine Diskussion auszulösen.

SBV: Sind die für den Kunstpreis ausgewählten sieben Künstler hier bekannt?

FX Harsono (geb. 1949, Indonesien), The Past of the Past/Migration, 2013

Lorenzo Rudolf: Ja, es sind alle zumindest in ihren Ländern berühmt. Jedem könnte man auch den Preis zusprechen, aber wir mussten uns ja einen auswählen und haben uns für FX Harsono aus Indonesien entschieden.

FX Harsono, Pilgrimage to history, 2013

SBV: Sie sprachen von der „einzigen Plattform in der Region“ – ist die neue Messe Art Central in Hongkong, die heuer im März startet, eine Konkurrenz?
Lorenzo Rudolf: Im Moment gibt es hier nur zwei Messen, Art Basel Hongkong und wir – und das wird wohl auch noch in der Zukunft so bleiben. Die ABHK ist die Handelsplattform der großen, internationalen Galerien. Wir sind die junge Messe, die mit Entdeckungen positioniert ist und immer einen Schritt voraus sein muss. Unser Schwerpunkt ist die Region hier – wo es noch genügend aufzuarbeiten gibt. Sicherlich wird es immer wieder neue Messen geben, aber nicht alle werden überall mitspielen können. Wichtig wird es sein, wie sich Art Central positionieren, welche Identität sie aufbauen wird.

SBV: Auf der Pressekonferenz eben erwähnten sie Feng Shui-Überlegungen im Rahmen der Art Stage. Was ist damit gemeint?
Lorenzo Rudolf: Im zweiten Jahr der Art Stage hatten wir eine sehr spektakuläre Installation: Gleich im Eingang gab es sieben fast zwanzig Meter lange Gemälde nebeneinander – eine lange Wand. Es war auffällig, wie viele Asiaten sich damit überhaupt nicht wohl gefühlt haben. In Gesprächen hörten wir immer wieder, dort komme die Energie nicht durch. Ob es stimmt oder nicht, aber hier spielt dieser Aspekt eine große Rolle, darüber muss man nachdenken. Ich war Anfangs sehr blauäugig und habe merken müssen, dass ich erst einmal etwas von der Kultur des Landes lernen muss.

Suzann Victor (Australien), Chandeliers, 2015. Gajah Gallery, Singapur // SBV

SBV: Hat die Messe seither eine Feng Shui-Beratung?

Mike HJ Chang (Taiwan/Singapur), Clean (Car Wash), 2015 // SBV

Lorenzo Rudolf: Wir haben jemand, der dazu etwas beiträgt – auch wenn nicht alle Stände danach ausgerichtet sind. Aber in der Haupthalle sind im Hauptgang Kunstwerke: Hüte dich, einen Gang zu machen, in den die Energie hinein- und wieder hinausfließt. Man muss sie aufhalten. Das kann dann durchaus spektakulär sein.
SBV: Besten Dank für das Gespräch!