15. India Art Fair im Kaufrausch

12. Feb. 2024 in Kunstmarkt, Kunstmesse

15. India Art Fair, Neu Delhi. Courtesy India Art Fair



Anfang Februar endete die 15. India Art Fair in Neu Delhi nach einem einzigartigen Käufer- und Besucheransturm.

Der Verkehr in Neu Delhi ist katastrophal, der Luftqualitätsindex steht seit Tagen auf „sehr schlecht“ und die über 20 Grad-Temperaturen erweisen sich als unerwartet winterlich kühl. Trotzdem herrscht in den drei Zelten der 15. India Art Fair (IAF) eine Euphorie, wie wir sie schon lange nicht mehr auf einer Kunstmesse erleben konnten. Indiens renommierteste Kunstmesse beginnt mit einem Kaufrausch.

Besucherin am Stand von Chemould Presscoat Road auf der 15. India Art Fair. Courtesy India Art Fair

Die Voraussetzungen dafür sind perfekt: Noch nie sah Indien so viele Börsengänge wie 2023, der Leitindex erreicht Rekordhochs und der Finanzplatz Mumbai liegt mittlerweile vor dem Konkurrenten Hongkong. Indien gilt als vielversprechendster Markt unter den Schwellenländern auf Grund der makroökonomischen Stabilität und des hohen Gewinnwachstums der Unternehmen. Das erfreut nicht nur die Oberschicht sondern lässt auch eine wohlhabende Mittelschicht entstehen – was sich deutlich auf der Messe zeigt.

15. India Art Fair 2024. (L-R) Mr. Vikram Pawah, President, BMW Group India, Ms. Jaya Asokan, Director, India Art Fair, Mr. Sashikanth Thavudoz, winner of the third edition of ‘The Future is Born of Art’ commission and Prof. Dr. Thomas Girst, Global Head of Cultural Engagement, BMW Group

Kunstboom

Das betont auch Thomas Girst, Chef des Kulturengagements der BMW Gruppe, die seit acht Jahren als Hauptpartner die IAF unterstützen. Die Bedeutung von Indien als Global Player befeuere den Kunstmarkt, erklärt er. Es gäbe heuer mehr Galerien, teilnehmende Institutionen, parallele Veranstaltungen und angereiste Sammler als je zuvor. Zum Kunstboom trägt auch bei, dass Indien enorm in die Infrastruktur für Bildung investiere, wie Sandy Angus betont. Er ist Vorsitzender von Angus Montgomery Arts, die 2011 Anteile an der IAF übernahmen. Auch Art Central in Hong Kong, Art Stage in Singapur und Tokyo Gendai gehören zu dem Unternehmen. In Indien sieht er ein enormes Potential für den Kunsthandel.

Stand von Ashiesh Shah. 15. India Art Fair. Foto SBV

Denn das Vermögen wächst rasant – und damit der Hunger nach Kunst. Und nach Luxus. „Fusion of art and luxury“ liest man in den Gängen der IAF immer wieder – das Motto von BMW, das den Nerv der Messe perfekt trifft. Zu den 109 internationalen Ausstellern gehören heuer auch erstmals Design-Studios. Kuratiert von der Londoner Galerie Carpenters Workshop sind vor allem opulente Möbel zu stolzen Preisen zu sehen – etwa die dystopische Kommode des französischen Designers Vincent Dubourg für 138.000 Euro, die wie nach einem Bombenangriff in der Mitte aufgesprengt ist.

Stand von Vikram Goyal. 15. India Art Fair. Foto SBV

Wie konträr dazu der von Weltuntergangsszenarien gänzlich unberührte Stand des indischen Designers Vikram Goyal! Höhepunkt hier ist die sieben Meter lange, monumentale Wand mit in Messing gehämmerten, lebensgroßen, floralen Motiven. Die Maße seien jederzeit anpassbar, erklärt eine der gefühlt zwanzig Stand-Assistentinnen.

Indishness

Manjunath Kamath am Stand der Galerie Espace aus Neu Delhi, 15. India Art Fair 2024. Courtesy India Art Fair

Was für unsere westlichen Einrichtungsvorlieben reichlich üppig erscheint, fügt sich in die opulenten Villen indischer Sammler nahtlos ein. Vereinzelt finden sich dort auch internationale Künstler. Das bestätigt sich auch auf der Messe, wenn Galerie Continua mit Stammsitz in Italien gleich am ersten Tag Werke von Ai Weiwei und Nari Ward verkaufen kann. Aber vor allem dominiert im Privaten und auf der Messe, im Design und Kunst eine „indishness“ – und das macht diese Kunstmesse so besonders. Es ist ein Schlüsselbegriff des indischen, noch weitgehend als Binnenmarkt funktionierenden Kunstmarkts. Der Subkontinent vereint 56 Ethnien und 121 offiziell anerkannte Sprachen. Zwar betont Messedirektorin Jaya Asokan, es sei eine Messe für südasiatische Kunst und man könne nicht von der einen einzigen gemeinsamen Ästhetik sprechen.

Traditionelle Materialien und Motive

Die ´indishness´ allerdings dominiert, und darin ist das Viele vereint: An nahezu jedem Stand sieht man Rückgriffe auf traditionelles Handwerk, traditionelle Materialien wie Haare oder Holz, bis zu traditionellen Bildmotiven wie Götter, Tiger oder Kühe – in zeitgenössisch geprägten Kompositionen. Besonders vielschichtig zeigt das Manjunath Kamath in seinem riesigen Bild mit Mengen einzelner Motive in verschiedenen Malstilen auf Goldgrund, das für 102.000 Euro sofort verkauft war. Auch für die kleinen Terrakotta-Skulpturen ab 6000,- Euro gebe es schon Wartelisten, erklärt Gargi Gupta, Programmdirektorin der Gallery Space Art aus Neu Delhi.

Trend zu Bildwirkereien

Bildwerkereien am Stand von Shrujan aus Gujarat. 15. India Art Fair 2024. Foto SBV

Es ist diese in der regionalen Kultur tief verwurzelte Vielfalt, die die IAF auszeichnet. Allein der gerade massiv zu beobachtende Trend an Bildwirkereien spiegelt hier auf der Messe einen eigenen ästhetischen Kosmos wider, wenn etwa am Stand des Handwerk-Projekts Shrujan aus Gujarat meist minimalistisch angelegte, textile Wandbilder angeboten werden, die mindestens drei Techniken verbinden, von Weben über Sticken bis Batiken. Shrujan arbeitet mit über 2000 Frauen in 60 Dörfern zusammen, die über 70 Stick- und Webkunst-Stile praktizieren, ihre Werke kosten ab 500 Euro. Wie konträr dazu die silberglitzernden Wandteppiche vom Studio Tarun Tahiliani aus Mumbai, die mit Perlen und Pailletten bedeckt in jeder Größe bestellt werden können. Oder solche zeitgenössischen künstlerischen Adaptionen wie Puneet Kaushiks auf Kleidung gemalte Werke, denen er Stickereien hinzufügt, die bei der Gallery Espace bei Preisen um 16.000 Euro ebenfalls sofort verkauft waren.

Mittleres Marktsegment

Ein Großteil des Angebots auf der IAF richtet sich an Käufer im mittleren Marktsegment. Das seien nicht viele, nur 1 Prozent der Bevölkerung, bemerkt eine Mitarbeiterin der Gallery SKE – was bei rund 1.4 Milliarden Menschen immerhin 14 Millionen Kunden wären. Nicht ganz so viele kamen zu der Messe, am letzten Tag allerdings waren die Karten restlos ausverkauft. Denn die Messe fungiert auch als eine Art Kunsthalle, als Informationsforum. Und als Museum, denn auch die Meister der Moderne sind hier zu finden. Die Crayon Art Gallery richtete einem – unverkäuflichen – Meisterwerk von M.F. Hussain einen kapellenartigen Raum ein. Und bei der Galerie DAG ist ein winzige Ölbild auf Zeitungspapier des indischen Modernisten F. N. Souza von 1962 ausgestellt. Preis: 100.000 Euro – was noch günstig ist verglichen mit den in die Millionen gehenden Preisen bei den anstehenden Moderne-Auktionen von Christie´s und den beiden indischen Häusern Pundole´s und Saffron Art. Das „Portrait von Denyse“ der ungarisch-indischen Malerin Amrita Sher-Gil von 1932 ist hier für die März-Auktion auf 1.5-2.5 Millionen Dollar geschätzt. Der Markt für indische Kunst „stehe unter Feuer“, wie es ein Sammler zusammenfasst.

15. India Art Fair, 1.-4.2.2024, Neu Delhi
veröffentlicht in: Die Presse, 11.2.2024