Oben im Norden Griechenlands findet seit 2007 die vom großen Biennale-Tross bisher kaum bemerkte Thessaloniki Biennale statt. Gegründet vom State Museum of Contemporary Art, finanziert vom griechischen Staat und der EU, wurden hier schon so renommierte Kuratorinnen wie Catherine David und Katarina Gregos eingeladen. Für die heurige 7. Ausgabe entschied man sich für ein großes Team: 11 Kuratoren, darunter 9 aus den örtlichen Museen und zwei Freie. Sie wählten unter dem Titel „Stasis – Stellung beziehen“ 54 KünstlerInnen aus. Statt eines Konzepts habe man „Wege des Denkens“ zeigen wollen.
So sind die Werke jetzt lose auf 7 Stationen verteilt: in das ehemalige Armenhaus aus dem 15. Jahrhundert, in vier staatliche Museen und in die Konzerthalle. Der siebte Ort liegt in Athen, da das dortige Haus zu der neuen Museumsdachmarke MOMus gehört.
Die MuseumsmitarbeiterInnen entschieden sich zum Teil für ältere Werke aus ihren hauseigenen Sammlungen, die auf der Biennale in neue Dialoge treten, etwa A. Tassos´ suggestive Druckgraphik marschierender Beine mit Filmen von Harun Farocki.
Unten am Hafen wurden ehemalige Lagerhallen in Kulturzentren umgewandelt, darunter das MOMus-Experimental Center for the Arts, die dem Performance-Künstler Stelarc eine kleine Retrospektive eingerichtet haben.
Gegenüber im Fotografie-Museum ist – genau: die Fotografie versammelt. Hier wird erstmals Yiorgos Depollas´ Serie „The Outsiders“ gezeigt: humorvolle Selbstportraits in bedeutungsgeladenen Situationen.
Wirklich spannend wird das Konzept der Kombinationen erst im MOMus Museum of Modern Art. Das oben auf dem Hügel liegende, ehemalige Kloster besitzt die faszinierende Costakis Collection mit über 1000 Werken der Russischen Avantgarde – und zeigt übrigens parallel zur Biennale eine großartige Ljubow Popowa-Personale.
In diesem Museum regt Jonas Staal mit seiner neuen Installation „Neo–Konstruktivistische Ammoliten“ einen „transhistorischen Dialog“ mit den ausgestorbenen Kopffüsslern als konstruktivistische „Kameraden“ an. Minna Henriksson präsentiert ihre Recherche zur Kasseler documenta, Apostolos Palavrakis´ streng-sachliche Skulpturen scheinen zu ihren Wurzeln zurückgekehrt zu sein und Maria Choulakis nahezu abstrakte Fotografien sind mit Werken russischer Meister kombiniert – hier entwickelt der Titel „Stasis“ eine erstaunliche Spannung, wenn die Statik von Zeitgrenzen und Kategorien ausgehebelt wird.
Thessaloniki Biennale, 12.10.2019 – 16.2.2020
veröffentlicht in: Kunstforum online, 16.12.2019