Alex Katz: Ewiges Einerlei oder überraschende Faszination?

20. Mrz. 2023 in Ausstellungen

Alex Katz, Blue Umbrella, 1979-80. Lithographie. Albertina, Wien / © Bildrecht, Wien 2023

In New York in den 1950er Jahren tropften angesagte Künstler Farbe auf die Leinwand, malten mit Spachteln und liebten die schnelle, spontane und vor allem abstrakte Malerei. Anders als seine Kollegen entschied sich Alex Katz damals für eine plakative, strenge Figuration, mit der er erst ab den 1990er Jahren bekannt wurde. Jetzt ist der 1927 geborene Starkünstler in der Wiener Albertina zu sehen. Ausgestellt sind Gemälde, Zeichnungen, Cut-Outs und Kartons – alles aus den Beständen des Museums. Er habe nur eine einzige Zeichnung gekauft, alles andere seien Schenkungen, betont Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder im Gespräch. Vieles übergab der Künstler dem Museum, anderes stammt aus der Essl Sammlung oder ist eine der Dauerleihgaben der Batliner Sammlung. Insgesamt verfügt die Albertina laut Schröder über 28 Gemälde, rund 840 Drucke, 100 Zeichnungen, 15 Kartons und zwölf freistehende Aluplatten mit Siebdruck, die Cut Outs genannt werden – Werke, die in gefühlt jeder zeitgenössischen Ausstellung der Albertina zu sehen sind. Und die in ihrer unverwechselbaren Bildsprache einen hohen Wiedererkennungseffekt haben: Wir sehen banale Bildmotive vor monochromen Farbflächen, oft Portraitköpfe, gerne mit knallroten Lippen, bisweilen mit Sonnenbrille und Hut, manchmal auch Landschaften. Meist Groß- bis Riesenformate, sind die Motive oft ausschnitthaft angelegt. Und immer bewusst inhaltsleer. „Der Inhalt meiner Malerei ist der Stil“, wird Katz in der Albertina zitiert. Seit über fünfzig Jahren variiert, perfektioniert und wiederholt Katz diese Bildsprache – ist eine große Ausstellung damit nicht zutiefst langweilig? Was genau malt Katz da eigentlich jahrein jahraus?

Alex Katz, Beach Stop, 2001. ALBERTINA, Wien – The ESSL Collection | © Foto: Mischa Nawrata, Wien / Bildrecht, Wien 2023

Die Motive entstammen seinem direkten Umfeld, Freunde und Familienmitglieder, oft seine Ehefrau Ada, manchmal auch Prominente, Lieblingslokale oder Landschaften. Entscheidend sind allerdings nicht diese Sujets, das lernen wir in dieser sorgfältig kuratierten Schau. Es ist das Wie, also Kompositionen und Bildprinzipien: Katz´ Kunst ist vom Film und von der Werbung inspiriert. Gleich zu Beginn sehen wir ein wie ein Storyboard angelegtes, in mehrere Szenen unterteiltes Bild. Mehrmals posiert eine Frau in Katz´ Atelier, im Hintergrund sind weitere, teils unfertige Bilder zu erkennen. Die Motivvariationen markieren hier einen zentralen, das Werk durchgehend bestimmenden Aspekt: Alex Katz´ Malerei mag figurativ sind, aber sie ist nicht illusionistisch. Er selbst spricht auch nicht von Figuration, sondern von „Post-Abstraktion“. Wir sehen kein Abbild der Welt, sondern „Sensationen“, wie er es einmal nannte, Momente, die er sah und deren „Energie“ er wiedergeben will. Ob in den Portraits oder auch Landschaftsbildern, oft bedient er sich dazu der filmischen Close-Up-Methode, also extreme Nahaufnahmen, kombiniert mit Werbebild-Strategien wie scharfkantige Umrisse, starke Farbflächen und angeschnittene Motive.

Alex Katz, Vivien X 5, 2018. Siebdruck. ALBERTINA, Wien © Alex Katz, Bildrecht, Wien 2023

Diese Methode fehlender Stirn- und Kinnpartien war typisch für die riesigen Werbetafeln in der USA in den 1950er Jahren und lässt das Sujet noch größer erscheinen. Anders als die Werbebilder schauen uns Alex Katz´ Modelle jedoch nie direkt an. Sie lächeln auch kaum. Sie bleiben kühl distanziert, was bekräftigt wird von der krassen Farbigkeit der homogenen Farbfelder. Ob die Portraits im Breitbild- oder die Landschaften im Panoramaformat, immer sehen wir eingefrorene Momente, die in einem kontextfreien, reinen Farbraum eine verwirrende Verlorenheit ausstrahlen. Was man angesichts vereinzelter Alex Katz-Bilder leicht als glatte Werbeästhetik missverstehen kann, wird hier in der geballten Bilder-Menge in der Albertina unübersehbar: „Cool Painting“ wird es hier genannt, eine große Kontrolliertheit mit minimalen emotionalen Untertönen. In einem Videointerview erklärt Katz anlässlich seiner großen Guggenheim-Personale 2022: „Ich versuche Licht zu malen und die Farben sind dafür ein Vehikel.“ Als sein lebenslanges Vorbild nennt er den Spanier Diego Velasquez aus dem 17. Jahrhundert, ein Meister der Portraitkunst. Anders als Velasquez, der von der kontrastreichen Hell-Dunkel-Malerei mit scharfen Konturen zu einem fast impressionistischen Farbauftrag im Spätwerk gelang, bleibt Katz bis heute seinem hauchdünnen, gleichmäßigen, nahezu unpersönlichen Farbauftrag treu. Direktor Schröder spricht auf der Pressekonferenz von einer „Utopie des Gleichbleibens“, die hier in der Albertina-Ausstellung eine herrlich überraschende Faszination entfaltet.

veröffentlicht in: Die Presse, 9.3.2023

Alex Katz, Cool Paintings, Albertina, Wien, bis 4.Juni 2023