Alois Mosbacher im Belvedere: Ich erzähle nichts

30. Mrz. 2023 in Ausstellungen

Ausstellungsansicht „Alois Mosbacher. Palinops“, Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien © Bildrecht, Wien 2023

„Palinops“ nennt Alois Mosbacher seine große Personale im Belvedere 21 – ein Neologismus? Nicht ganz: Manche kennen eine merkwürdige Wahrnehmungstäuschung: Für Sekunden sehen sie etwas ganz real, was schon länger vergangen ist. Palinopsie nennt sich das Krankheitsbild. Daran erinnert Mosbachers Ausstellungstitel. Mosbacher gehört zu den alten Hasen der österreichischen Kunst. Geboren 1954 in der Steiermark, studierte er in Wien und war in 1980er Jahren einer der Jungen Wilden, die fröhlich drauf los malten, figurativ, expressiv und unbekümmert. Jetzt zeigt das Belvedere 21 einen wunderbaren Rückblick auf Mosbachers Malerei aus vier Jahrzehnten.

Ausstellungsansicht „Alois Mosbacher. Palinops“
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien © Bildrecht, Wien 2023

Aber es sei keine Retrospektive, betont der Wiener Künstler bei einem Rundgang. Er habe mit seinen Bildern eine Architektur gebaut, beschreibt er es. Dafür befreite er erst einmal die vorhandene Architektur des für die Weltausstellung 1958 gebauten Expo-Pavillons von all den Stellwänden vor den Fenstern. Das mag banal klingen, ist aber folgenreich: Es minimiert die Hängeflächen und öffnet ein mächtiges Linienspiel durch die strengen Fensterstreben. Das eine Problem löst Mosbacher mit im Raum frei verteilten, bildbreiten Stellwänden – keine Rückseite bleibt dabei ungenutzt! Das andere mit einer gigantischen Zeichnung. Denn entlang der Fensterfront sind 160 Blätter auf der niedrigen Balustrade gefestigt, die zuvor noch nie zum Teil einer Ausstellung wurde. Wir sehen stehende und umgefallene Bäume, Momente eines Spaziergangs nach einem heftigen Sturm im Weinviertel. Es sei der „Rahmen“, wie Mosbacher die Reihe nennt, durch den wir das Gefühl bekommen, jetzt „mitten in der Malerei“ stehen. Kurator Miroslav Hal´ak spricht etwas hochgegriffen von einem „Kunstbiotop“, Wortaneignungen aus fremden Feldern waren in der Kunst schon immer beliebt.

Ausstellungsansicht „Alois Mosbacher. Palinops“
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien © Bildrecht, Wien 2023

Inmitten dieses Rahmens entfaltet sich Mosbachers Welt, die uns eine Palinopsie beschert – im übertragenen Sinne natürlich. Immer wieder sehen wir Objekte, die zuvor schon auftauchten. So tuppt etwa ein oranger Basketball durch die Bildwelten, zunächst spielt ein Hund damit, dann sehen wir den Ball an einem Bildrand neben einem Baum eingezwängt und zuletzt als tatsächliches Objekt gefesselt und zum Stillstand gebracht auf einem Balken liegend. Obwohl Mosbacher oft von „Narrationen“ spricht, die die Bilder „vorschlagen“, will uns dieser Ball nichts Interpretationsintensives sagen. Wie so viele seiner Motivwiederholungen werden damit visuelle Zusammenhänge geschaffen. Die können wir gerne mit unseren Erfahrungen, Emotionen und Wissen auffüllen.

Welche Erzählungen?

Ob und welche Erzählungen daraus entstehen, ist offen. Der Begriff ist irreführend: „Man kann durch ein Bild nichts erzählen, dafür gibt es bessere Medien“, erklärt Mosbacher. Vor allem werden durch die Motivwiederholungen quer durch die Ausstellung präzise konzipierte Blickachsen geschaffen. Und Zeitsprünge überbückt. Manche Bildmotive verwendet Mosbacher schon seit Jahrzehnten. Sein Thema sei „outdoor“, fasst er es zusammen: Pflanzen, Bäume, Natur, Tiere. Wiedererkennbares, das Assoziationen in sich trägt, ohne mit nur einer dominierenden Narration aufdringlich zu werden. Das gilt bereits für seine frühe Serie „Sicht der Dinge – Lauf der Farbe“, die er 1990 in der Galerie Krinzinger ausstellte: Acht Bilder, auf denen sich acht Elemente wiederholen, Mann, Frau, Vogel, Wasser, aber auch eine eckige, eine runde Form. Da war die wilde Phase bereits abgeschlossen, er nennt die Serie „meine abstrakten Bilder“. Denn es sei eine konzeptuelle Malerei, die uns eine Geschichte suggeriert, die zu nichts führt. „Ich gebrauche das Figurative wie einen zusätzlichen Farbwert: Rot, Blau, Kaktus, Ball“, erklärt er sein bis heute gültiges Grundprinzip.

Ausstellungsansicht „Alois Mosbacher. Palinops“
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien © Bildrecht, Wien 2023

Wie aber passen diese merkwürdigen verschnürten, von der Decke hängenden Kugelformen über den liegenden, schwarz-weißen Garten-Zeichnung in diese Bildwelten? Eines der runden Objekte besteht aus Disketten, ein anderes vereint Alltagsdinge. Die Installation war 2016 in der MQ Art Box im Museumsquartier zu sehen, Mosbacher spricht von „Denkmodellen“ oder „Satelliten“: „Kann man alles zusammenschnüren?“ Fast möchte man sie für Modelle der Ausstellung halten, in der all seine Werke mit so großer Leichtigkeit zusammenkommen, in der sich so vieles wiederholt ohne identisch zu sein – wie die acht herrlich malerischen Kakteen. Oder die sechs von Linienformationen bestimmten Sonnenblumenbilder.
Irgendwo dazwischen hängt auch sein neuestes Bild, „Palinops“: Ein riesiger heller Kleks liegt über einer figurativen Szene. Er scheint zum Rand hin zu wachsen. In der Mitte breitet sich ein Riss aus. Es sei wie „ein neuer Anfang“, erklärt Mosbacher, „ich kann die Sujets wieder neu ordnen.“

Alois Mosbacher, Belvedere 21, 10.3.-10.9.2023
veröffentlicht in: Die Presse, 21.2.2023