Fünf Wochen lang stehen 24 Wiener Galerien im Zeichen von curated by – dem weltweit größten Galerienfestival, das über 120 Künstler in die Stadt bringt. Motto heuer: Untold Narratives.
Seit 2009 findet in Wien ein weltweit einzigartiges Kunstfestival curated by statt: 24 Galerien laden Gäste ein, in ihren Räumen eine carte blanche-Ausstellung zu kuratieren. Vier Wochen lang bilden dann die Galerien eine Parcours quer durch die Stadt mit Kunst aus aller Welt. Immer gibt es dafür ein Überthema, das die vielen kleinen Einzelausstellungen zusammenbindet. Manches Mal wurde das konsequent ignoriert. Heuer aber ist die Vorgabe derartig bildlich und konkret, dabei aber doch auch offen genug, dass alle Werke der 120 Künstler sich überzeugend einreihen: Es geht um „Untold Narratives“, um übersehene, vergessene, verdrängte oder auch uminterpretierte Erzählungen, um Erinnerungen und Archive.
Manche Galerie konzentriert sich wie Krobath oder Eva Presenhuber auf nur einen einzigen Künstler. Die meisten allerdings überraschen uns mit intensiven Gruppenausstellungen – und großen Themen. Da lud etwa der junge Kurator Kristian Vistrup Madsen für die Charim Galerie sieben Künstlern für die Frage ein, was nach dem Modernismus kommen könnte. Wie einen roten Faden platziert er dafür Werke von Inge Svensson in jeden Raum – die sei allzu lange übersehen worden, erklärt Madsen. Im Neubewerten von Vorhandenem liegt die Zukunft?
In der Galerie Crone fahren Havîn Al-Sîndys zu fantastischen Skulpturen umgebaute Staubsaugroboter durch den Raum und kommunizieren dabei pfeifend miteinander. Ihr Werk ist Teil von María Inés Plaza Lazos Schau „Verbrechen als Ornament“. Acht Künstler wählte sie für ihre Abrechnung mit Adolf Loos´ berühmten Aufsatz „Ornament und Verbrechen“ von 1908 aus – den sie als „überheblichen Ausdruck einer westlich kulturellen Hegemonie“ sieht, „die fremde Ästhetik und Formensprache marginalisierte“, wie sie es in ihrem Statement schreibt.
Kunst als Lockvogel
Ähnlich kämpferisch geht es auch das Kuratorenteam blaxTARLINES aus Ghana an. Sie benutzen in ihrem Beitrag in der Galerie Hubert Winter „Kunst als Lockvogel“, wie sie erklären, um alternative bis subversive Erzählungen anzubieten – mit denen sie sogar nichts weniger als die „Auswüchse der globalen Kunstwelt“ kritisieren wollen. Die Erzählungen im alltäglichen Leben dagegen zeigt uns Kuratorin Kate Sutton in der Galerie Lombardi-Kargl, wenn etwa Tenzing Dakpa Polster wie merkwürdige Lebewesen in seinen Fotografien inszeniert, und damit zugleich das Leben im Hotel seiner Familie sehr eigenwillig dokumentiert.
Anhand der französischen Königin Marie Antoinette entwickelt Agnes Scherer mit herrlich theatralisch-skulpturalen Elementen in der Galerie Meyer Kainer eine Rauminstallation, um „die Wiederkehr von feudalen Strukturen, von Macht und Privilegien“ zu erzählen, wie es Kuratorin Eva Birkenstock zusammenfasst. Eine Neuerung bietet curated by übrigens noch an: Erstmals gibt es Expertengespräche und ein Symposium am 5. Oktober: Wie kann man mit Archiven und Künstlernachlässen umgehen?
veröffentlicht in: Die Presse, 15.9.2024
Curated by, 17.9.-19.10.2024