Die Bronzen der Fürsten im Wiener Palais Liechtenstein

31. Mrz. 2023 in Ausstellungen

Antike Büste von Marc Aurel © LIECHTENSTEIN_The Princely Collections Vaduz-Vienna

Seit fünf Jahrhunderten sammeln die Fürsten von Liechtenstein Bronzen, jetzt ist eine feine Auswahl in Wien ausgestellt.

Er möge doch gar nicht erst versuchen, griechische oder römische Originalskulpturen zu erwerben. Bronzen seien leichter zu transportieren. Sie seine nicht zerbrechlich und man könne Kopien anfertigen – das hatte Fürst Karl I. von Liechtenstein als Rat seinem Sohn erteilt. Er selbst hatte 1607 eine erste Bronze bei dem niederländischen Meister Adrian de Vries in Auftrag geben: eine lebensgroße „Christus im Elend“-Figur. Damit begann die einzigartige Bronze-Sammlung der Fürsten von Liechtenstein, die sein Sohn mit Aufträgen für Kopien nach römischen Antiken, von Kaiserbüsten oder Marmorskulpturen weiterführte. Jetzt sind 200 ausgewählte Bronzestatuen im Wiener Palais Liechtenstein zu sehen, darunter fünfzehn hochkarätige Leihgaben. Für vier Wochen bis Ende März öffnet dafür das Privatmuseum in Alsergrund bei kostenfreiem Eintritt die Tore. Es ist die letzte Ausstellung von Direktor Johann Kräftner, für die er das ganze Erdgeschoß inklusiv der Bibliothek nutzt.

Die vielen Farbtöne der Patina

Zu den zentralen Künstlern der Sammlung gehört de Vries, auf dessen besonders fein ausgearbeiteten Modellierungen Kräftner bei einem exklusiven Rundgang hinweist. Der Bart in de Vries´ „Christus an der Geisselsäule“ erinnert ihn an eine Landschaft, so präzise seien die Details. Mit seinen Modellierungen gönnte sich der Künstler eine große Freiheit und brach mit der antiken Glätte, von der frühere Bronzen geprägt sind. Immer wieder weist Kräftner auf die Patina hin, wie die dünne Verwitterungsschicht der Oberfläche genannt wird, die bei Bronzen eine große Palette unterschiedlicher Farbtöne erzeugt. Die Christus-Figur trage noch die Original-Patina. Manch andere Bronzen seien später mit einer schwarzen Schutzschicht überzogen oder umgekehrt allzu sehr geputzt und poliert worden.

Spielzeuge der Fürsten

Einige weisen eine „Handpatina“ auf wie bei der „Knieenden Badenden“ von Giovanni Francesco Susini: Es ist eine Kopie von Giambologna, eine Bewegungsstudie mit einer gedrehten Körperachse, die von allen Seiten andere Ansichten bietet. Als kleine Statuette gemacht, zeugen die verschiedenen Farbtöne davon, wo und auch wie oft die Bronze in die Hand genommen wurde – es seien die „Spielzeuge der Fürsten“ gewesen, erzählt Kräftner. Großartig auch die bräunliche Patina von Antonio Susinis „Nessus raubt Dejaneira“, gegossen nach einem Modell von Giambologna, entstanden um 1600, erworben 2003. Wie rötlich dagegen die Farbe der anderen, motivisch gleichen Bronze direkt daneben!

Spannungsvolle Unterschiede in den Bronzen

Aber nicht nur in den Farbdetails des Bronzegusses, immer wieder können wir erkenntnisreiche Vergleiche ziehen. Denn die Ausstellung ist motivisch konzipiert. Reiterstatuetten, Lakoon-Gruppen, Herkules-Figuren, Büsten – die Bildgegenstände wiederholen sich. Die Spannung liegt in den Unterschieden, etwa bei all den Pferden: Heben die meisten Pferde in den Reiterstatuen ihr vorderes Bein elegant hoch, modelliert de Vries seine Reiterstatuette des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg um 1605 waghalsig in aufbäumender Pose – eine Herausforderung, da der Bildhauer die Frage des Gleichgewichts lösen muss. Was bereits Leonardo da Vincis in seiner großartigen Reiterstatuette aus dem frühen 16. Jahrhundert perfekt ohne zusätzliches stützendes Element gelang. Immer wieder können wir diesen Aspekt bei den Bronzen studieren. Manche schmuggeln die statisch notwendige Stützen motivisch ein wie der unbekannte Meister aus Norditalien um 1500, der seinen Apollo mit überkreuzten Beinen an einen Baum lehnt.

Masimiliano Soldani-Benzi

Die meisten Bronzen entstanden im Auftrag. Nur wenige wie Massimiliano Soldani-Benzis „Venus straft den Amorknaben“ von 1718/19 sind freie Kompositionen. Manchmal schlugen auch die Künstler Werke vor, die von Fürst Johann Adam Andreas I von Liechtenstein dann beauftragt wurden wie etwa Soldani-Benzis grandiose Büsten, die er nach Bernini anfertigte. Es sind keineswegs schlichte Kopien, sondern in Bronzen weiterentwickelte, durch die rötlich golden schimmernde, transparente Patina neu interpretierte Werke.

Badminton Cabinet 1720–32, Commessi di Pietre dure (Lapislazuli, roter und grüner sizilianischer Jaspis, Amethyst, Quarz, u. a.), Ebenholz und vergoldete Bronze. © LIECHTENSTEIN The Princely Collections Vaduz-Vienna

In der Bibliothek sehen wir dann in einer riesigen Vitrine Girolamo Ticciatis „Allegorien der Vier Jahreszeiten“, die erstmals vom Prunkmöbel isoliert sind. Gleich hinter den leuchtenden, feuervergoldeten Bronzen stehen dieselben Figuren aus Porzellan. Auf den ersten Blick erscheinen sie wie identische Nachbildungen. Tatsächlich sind sie nicht nur durch die Bemalung, sondern auch in einigen Posen vorsichtig überarbeitet. Am Ende dieses intensiven, detailreichen Rundgangs bleibt noch die Frage, wieso das Fürstenhaus sich Anfangs auf das Sammeln von Kopien konzentrierte. Wieso nicht Unikate? Von den meisten Werken gäbe es, wenn überhaupt, dann nur sehr wenige weitere Abgüsse, erklärt Kräftner. Denn die einflussreiche italienische Familie Medici habe das damals gestoppt. Zum anderen sei die Frage der Unikate in jener Zeit zweitrangig gewesen, da es damals um die Form und nicht um Einzigartigkeit ging. Und heute? Da gelte die Original-Patina mehr als die Menge der gegossenen Versionen.

Gartenpalais Liechtenstein, Gegossen für die Ewigkeit. Die Bronzen der Fürsten von Liechtenstein. 1.-31.März 2023

veröffentlicht in: Die Presse, 15.3.2023