Zur Feier ihres Bestehens zeigt das Fürstentum Liechtenstein Meisterwerke ihrer Sammlung in der Albertina.
300 Jahre alt ist das Fürstentum Liechtenstein im Januar geworden – und das wird gefeiert, sogar in Wien. Denn die Familie sei von Anfang an eng mit dem Hause Habsburg verbunden gewesen, betont Klaus Schröder, Direktor der Albertina in Wien. In seinem Museum sind jetzt „500 Jahre europäische Kunstgeschichte“ anhand von zweihundert Meisterwerke der fürstlichen Sammlung ausgestellt, von „Rubens bis Makart“ und dazu Aquarelle von Rudolf von Alt und seiner Zeit.
Es ist nur ein kleiner Ausschnitt der Fürstlichen Sammlung, zu der über 45.000 Kunstwerke gehören, darunter 1700 Gemälde und Skulpturen seit der Frührenaissance. Zwar gab es starke Verluste durch Krieg, Beschlagnahmung und auch Verkäufe. Aber seit einigen Jahren wird wieder angekauft, und mit zwei spektakulären Neuerwerbungen beginnt die Feier in der Albertina: die vergoldete Büste von Marc Aurel (um 1500), die Antwort der italienischen Renaissance auf die Antike von Pier Jacopo Alari-Bonacolsi, frech kombiniert mit Hans Makarts üppigem Gemälde „Kleopatra“ (1875). Zu den Höhepunkten der Auswahl gehören Cornelis Cornelisz. van Harlems heiliger Sebastian mit strahlend-athletischem Körper (1591), Adrian de Vries idealisierte Bronze „Christus im Elend“ (1607) und natürlich Peter Paul Rubens´ beeindruckendes, nur auf das Gesicht konzentriertes, tief emotionales Kinderportrait seiner fünfjährigen Tochter Clara Serena (1616). Das Prachtstück der Ausstellung ist Rubens „Venus vor dem Spiegel“ (um 1614/15) mit der einzigartigen Inkarnatmalerei der nackten Venus, der ein schwarzer Page den Spiegel vorhält.
Eigentlich wird dieses Meisterwerk nicht mehr ausgeliehen, aber die kurze Distanz vom Alsergrund bis in die Innere Stadt gelte nicht als Reise, erklärt Schröder. Im 9. Wiener Bezirk befindet sich eines der beiden fürstlichen Palais-Museen, denn ein Teil der Sammlung weilt nach wie vor in Wien – als „letzte fürstliche Sammlung“ in der Stadt, wie Schröder betont. Bis 1918 war Wien reich an Sammlungen der Adelshäuser, die damals den kaiserlichen Beständen absolut ebenbürtig waren. Warum findet die beeindruckende Feier nicht im fürstlichen Gartenpalais statt, oder in dem Stadtpalais beim Volksgarten? 2004 war das Gartenpalais rundum renoviert wiedereröffnet worden, Ende 2011 wurden die Tore plötzlich geschlossen. Die erhoffte Zahl von 50.000 Besuchern jährlich konnte nicht erreicht werden. Seither wird es zum Basispreis von 9.300 Euro für Veranstaltungen vermietet. Das 2013 fertig renovierte Stadtpalais mit dem Schwerpunkt Biedermeier und Klassizismus wurde erst gar nicht öffentlich. In jedem der beiden Häuser sind immer rund 180 Werke aus der Sammlung in wechselnden Hängungen präsent, ein Besuch ist nur bei Privatveranstaltungen oder in vorab zu buchenden Führungen möglich, das Kombiticket kostet 42 Euro.
Wäre die große Feier nicht ein guter Grund, eines der Häuser kurzzeitig wieder zu öffnen? Darauf will Johann Kräftner, Direktor der Fürstlichen Sammlungen, gar nicht eingehen. Man könne die Meisterwerk in der Albertina „ganz neu und anders erleben“ als in den Prunkräumen der Palais, betonen beide Direktoren immer wieder. Von einer „Blütenlese“ aus den Sammlungen ist die Rede, die in der Albertina zusammenfinden und in einer „Idealpräsentation“ zu sehen seien: nah und auf Augenhöhe. In den beiden Palais-Museen herrsche eine unglaubliche Dichte, in der Albertina sei eine Konzentration auf einzelne Werke möglich. Tatsächlich ist die Präsentation in dem Gartenpalais alles andere als museal – und das ist auch beabsichtigt. Während die Schau in der Albertina als „Lehrpfad“ angelegt ist, den man dort sogar im unteren Geschoß bis zu zeitgenössischer Kunst fortsetzen könne, wie Schröder vorschlägt, folgt die Aufstellung im Liechtenstein-Palais eigenen Regeln. Da wird immer wieder mal umgehängt, um neurestaurierte Werke zu zeigen wie der Heilige Michael eines unbekannten Meisters aus dem 16. Jahrhundert oder das Porträt des Kurfürsten Johann der Beständige von Lukas Cranach der Ältere (nach 1532), das als Dauerleihgabe aus einer Privatsammlung stammt. Oder um die Lücken zu füllen, die durch Leihgaben entstehen, wenn Werke auf Wanderschaft geben wie etwa die Landschaftsmalereien Ende Februar nach Abu Dhabi. Alexandra Hanzl, stellvertretende Direktorin der Liechtenstein Sammlungen, betont den Eindruck einer privaten Galerie, der hier gewollt mit der speziellen Hängung vorherrsche. Sie spricht von der „Erhabenheit der Räume“, der sich die Kunstwerke stellen müssen. Denn das Gartenpalais mit all den Goldornamenten, Stuckdecken, Deckenmalereien und dem stark gemusterten Parkettboden ist ein Prachtbeispiel des Hochbarocks. Dicht neben- und übereinander, gerne von Skulpturen flankiert, kuscheln sich hier Meisterwerke der Jahrhunderte aneinander. Einmal steht sogar ein opulenter Boulle-Schrank mittig und ganz nah vor einem Gemälde. Ein Höhepunkt der sieben Galerien ist der Rubens-Zyklus Decius-Mus (1616/17) mit den sechs fast 3 Meter hohen und 5 Meter breiten Werken, der von dem Heldentod des römischen Konsuls erzählt. Der größte Schatz aber ist Rubens Portrait seiner beiden Söhne Albert und Nikolaus (1626). Die fragile Holztafel wird nie ausgeliehen, durfte nicht einmal mit dem Tochter-Portrait in die Albertina wandern.
Aber man sehe die beiden Ausstellungen durchaus zusammen, wird betont, weswegen es in den nächsten vier Monate mehr öffentliche Führungen geben werde, wenn auch nicht als kombiniertes Ticket. Und da die Werke in der Albertina „frei nach Hegel ihre Welt verloren haben“, wie es Schröder beschreibt, erhält man dort auch einen anschaulichen Eindruck früherer Zeiten, mit den Bildnissen der Fürstlichen Familie, ihres Alltags bis zu den Interieurs ihrer reich dekorierten Palais in den 100 Aquarellen. Damit ist diese Jubiläumsfeier eine wunderbare, kunsthistorische Reise in eine längst vergangene Welt.
veröffentlicht in: NZZ, 23.4.2019
Albertina, Wien, 16.2.-10.6.2019