Dorothy Lichtenstein: Wie war das Leben mit Roy Lichtenstein?

02. Apr. 2024 in Interview

Roy Lichtenstein, Tapete mit Interieur mit blauem Fußboden, 1992. Siebdruck auf Papier. ALBERTINA, Wien © Estate of Roy Lichtenstein/Bildrecht, Wien 2024. Foto: ALBERTINA, Wien

Dorothy Lichtenstein im Gespräch mit Sabine B. Vogel anlässlich der großen Roy Lichtenstein-Ausstellung in der Wiener Albertina

Roy Lichtenstein (1923-1997) war in erster Ehe mit Isabel Wilson verheiratet. 1963 trennte er sich vn seiner Frau und zog von New Jersey nach Manhattan. 1968 folgte die Scheidung, seine beiden Söhne wuchsen bei der Mutter auf. 1964 lernte er Dorothy Herzka (geb. 1939) kennen, 1968 heirateten sie.

Sabine B. Vogel: Sie haben sich in einer New Yorker Galerie kennengelernt – haben Sie dort nach Ihrer Heirat mit Roy Lichtenstein weitergearbeitet?
Dorothy Lichtenstein: Die Galerie wurde 1970 geschlossen. In dem Jahr sind wir auch nach Southampton auf Long Island gezogen.
SBV: War das Leben dort in der Kleinstadt nicht sehr langweilig? Damals zog es ja noch nicht die New Yorker Schickeria an Wochenenden und in den Ferien dorthin…
Dorothy Lichtenstein: Das genau mochte Roy an Southampton, weil er nicht abgelenkt wurde.
SBV: Und für Sie?
Dorothy Lichtenstein: Ich hatte immer etwas zu tun, habe in einer kleinen Schule geholfen. Als wir rausgezogen sind, wollte ich eigentlich die gesamte Enzyklopädie Briannica lesen (lacht) … das hat noch niemand geschafft…
SBV: … das waren damals ja schon 24 Bände mit Tausenden von Artikeln??
Dorothy Lichtenstein: …ja! Ich hab die auch bestellt. Ich habe auch angefangen zu lesen, aber dann aufgehört. Wir hatten einige Freunde, die auch in Southampton lebten, Diane and Paul Waldman – she was curator at the Guggenheim, her husband an artist. Aber wir waren glücklich als home-buddies. Es kamen auch immer wieder Freunde aus Manhattan zu Besuch. Ich bin damals auch sehr gerne gereist. Roy nicht. Ich konnte ihn zu wenigen Reisen überreden, wir fuhren zusammen nach Indien – wir hatten Freunde dort. Ich bin alleine häufiger nach Afrika gereist. Das hat ihn nicht gestört, er war froh, arbeiten zu können. Er war immer beschäftigt – und er hatte immer jemanden für gemeinsame Abendessen.

Dorothy Lichtenstein, Wien, März 2024. Foto: SBV

 

SBV: Haben Sie Ihren Mann oft im Atelier besucht und seine Werke mit ihm diskutiert?
Dorothy Lichtenstein: Ja, wir haben viel darüber geredet. Roy war sehr bestimmend. Und immer bei seiner Arbeit. Selbst wenn wir abends vor dem Fernseher saßen, konnte er eine Idee haben und eine kleine Skizze beginnen. Viele seiner Ideen fand er in der Kunstgeschichte, sicherlich. Das hatte er ja studiert. Aber auch wenn er durch die Stadt ging, kamen ihm Ideen.
SBV: War er für Kritik von Ihnen offen?
Dorothy Lichtenstein: Manchmal hat der dem Kommentar von jemandem zugehört. Aber eigentlich nur, wenn er selbst Zweifel hatte. Bei einer Skulptur sagte er einmal, es sehe vielleicht zu sehr wie Dubuffet aus.
SBV: Wie war das Leben mit einem berühmten Künstler in den 1970ern und 1980ern?
Dorothy Lichtenstein: Es war vor allem unerwartet! Als ich Roy 1964 kennenlernte, war er schon bekannt. Aber die Kunstwelt war sehr klein damals verglichen mit heute.
SBV: Haben Sie auch Kunst gesammelt?
Dorothy Lichtenstein: Ja, aber vor allem Zeichnungen – wir hatten welche von Picasso, von Matisse, auch von Warhol und Bob Rauschenberg. Ellsworth Kelly. Künstler, mit denen wir befreundet waren. Ich habe eine große Gruppe der Werke Morgan Library and Museum in New York City gespendet, als sie anfingen, zeitgenössische Kunst zu sammeln. Ich habe noch einige Bilder von Roy, aber ich sammele nicht mehr.

Warum haben Sie das Atelier verkauft?

SBV: Warum haben Sie das Atelier in der Washington Street in Greenwich Village dem Whitney Museum übergeben?
Dorothy Lichtenstein: Wir sind 1988 dahin gezogen und haben es hergerichtet. Roy hat es sofort geliebt. Nach seinem Tod 1997 wollten wir nie ein Lichtenstein-Museum daraus machen. Wir haben es einige Jahre belassen. Aber ich wollte, das es etwas Spezielles wird und habe mit dem Direktor des Whitney Museums gesprochen. Das Museum ist ganz in der Nähe. Jetzt finden dort Kurse des Indipendent Study Program statt, zu dem jedes Jahr fünfzehn Studierende zugelassen werden.
SBV: Wurde jetzt alles umgebaut und entleert?
Dorothy Lichtenstein: Sie haben einiges adaptiert. Sie haben Roys Staffeleien stehen lassen, die er erfunden hat. Wand-Staffeleien für Bilder in jeder Größe. Wir hatten es mit Elementen des französischen Theaters des 19. Jahrhundert dekoriert – das wurde auch belassen. Es erinnert definitiv noch an Roy, aber es ist den neuen Bedürfnissen angepasst. Es ist jetzt ein Zuhause für neue Künstler und Kritiker und Kunsthistoriker.
SBV: Verabschieden Sie sich so schrittweise von dem Nachlass Ihres Mannes?
Dorothy Lichtenstein: (lacht) ja, getting ready!
SBV: Vielen Dank für das Gespräch.

Interview mit Dorothy Lichtenstein in der Albertina, Wien, am 6.März 2024.