Einschüchterungsversuche der documenta-Managerin Kulenkampff

15. Sep. 2017 in Biennalen, News

pEs begann am 9.Mai. Da kamen aus dem Haus der documenta emails. Absender war Annette Kulenkampff, Geschäftsführerin der documenta und Museum Fridericianum gGmbH, wie man es auf nachdrücklichen Wunsch von Biljana Gligoric vom Rechtsreferat und Vertragsmanagement schreiben muss. Kulenkampf war früher in einem Verlag tätig und ist seit einigen Jahren bei der documenta gGmbH. Eine ihrer Aufgaben sah sie – und wohl auch ihre kontrollorientierte Pressesprecherin Henriette Gallus – offenbar darin, akribisch die Publikationen über ihre gGmbH zu lesen – und dann KunstkritikerInnen und JournalistInnen „Falschmeldungen“ zu unterstellen (s.auch: https://www.hna.de/kultur/documenta/kommentar-zum-lohn-aerger-bei-documenta-im-umgang-peinlich-8449152.html ). Denn die documenta ist längst nicht mehr nur eine Ausstellung. Im Deutschlandfunk – immerhin Medienpartner der documenta – war in einem Bericht die Rede von der documenta als „Weltkunstmesse“. Auch eine schöne Beschreibung. Aber tatsächlich ist die documenta ein Unternehmen – denn wie sonst könnte man erklären, dass Kuhlenkampff mit „Schadensersatzforderungen“ droht? Welcher Schaden entsteht denn, wenn man „Falschmeldungen“ schreibt – und welche Meldungen überhaupt, noch dazu falsche?
2017-04-06-11-26-00-kopieAber der Reihe nach: In der Mai-Ausgabe des Kunstforums schrieb ich, dass jene Ausstellungsorte der documenta in Athen, die eigene Eintrittsgelder verlangen, diese auch in voller Höhe behalten können – das hatte einer der documenta-Kuratoren erwähnt. Dagegen widersprach Kulenkampff – damals noch höflich – „um umgehende Berichtigung dieser sehr ärgerlichen Falschmeldungen.“ Falschmeldung? Kulenkampff: „Die Museen und Organisationen in Athen dürfen die Gelder nicht in ´voller Höhe behalten´, sondern die Einnahmen, die für den Besuch eines documenta Standortes in Athen erhoben werden, werden in voller Höhe zur Refinanzierung der Aufwendungen des Standortes für die documenta 14 verwendet.“ Dies ist eine erstaunliche Aussage.
2017-04-06-14-45-48-kopieKassiani Benou vom National Museum of Contemporary Art, kurz EMST, erklärt auf Anfrage: „The entrance fee covered the operational costs of documenta 14 at the EMST building.“ Da ist keine Rede von „Refinanzierung“. Und noch deutlicher formuliert es Andromachi Kapetanopoulou vom Archaeological Museum of Piraeus: „I would like to inform you that according to the Greek law, all the fees from the entrance tickets of the Greek Public Museums are granted to the Archaeological Receipts Fund of the Ministry of Culture, to cover all the necessary needs concerning the arcaeological museums and sites. The Archaeological Museum of Piraeus does the same as well.“ Kurz: Die Eintrittsgelder werden behalten.
Damals waren wir noch ganz blauäugig, die documenta erhielt ihre kommentarlose „Berichtigung“, noch dazu eine Gratisanzeige, die im Magazin dann natürlich den redaktionellen Raum schmälerte – auch eine interessante Strategie einer Kunstausstellung!
2017-06-06-17-00-29-kopieAber Kulenkampff bzw. Pressesprecherin Gallus gaben keine Ruhe. Im nächsten Doppelband, in dem wir über sämtliche Werke schrieben, wurde die Geschäftsführerin wieder fündig. „Schon beim oberflächlichen Durchschauen fallen Einem (sic!) mehrere falsche Behauptungen ins Auge, die mit Leichtigkeit hätten überprüft werden können und die nun von Ihnen erneut falsch verbreitet werden“, schreibt Kulenkampff in ihrer email. „Erneut“? Kulenkampff: „Die Behauptung „Verlage spendeten Exemplare, wohl eher Ladenhüter als Zensiertes“ ist falsch. In Zusammenarbeit mit dem Germanistischen Seminar der Universität Kassel wurde jedes Buch auf die festgelegten Kriterien hin geprüft. Am „Parthenon der Bücher“ der argentinischen Künstlerin Marta Minujín hängen nur Bücher, die entweder heute irgendwo auf der Welt verboten sind oder ehemals verboten waren.“ Leider falsch, werte Frau Kulenkampff.
2017-06-08-13-35-41-kopieErstens handelt es sich um eine Einschätzung bzw. Bewertung, die sich eines Beweises und einer Widerlegung entzieht. Frau Kulenkampff, und da sie meist in den mails in cc gesetzt wurde, Frau Gligoric: In unserer Meinung sind wir frei! Und zweitens könnte die Geschäftsführerin damit eine interessante Diskussion entfachen. Zwar schrieben alle brav von „zensierten Büchern“. Tatsächlich sind in den Säulen auch Bücher eingereiht, die niemals zensiert wurden, etwa „Mit Goethe durch das Jahr“ oder „Französische Meistererzählungen“. Goethes Schriften waren Ende des 18. Jahrhunderts in Österreich verboten, dieses Buch jedoch nie. In dem Erzählband mag einer oder mehrere Autoren auf der Liste stehen, das Buch jedoch war nie zensiert – und immerhin lautet die Formulierung ja „zensierte Bücher“, nicht ´zensierte Autoren´. Von Robert Musil sind sechs Schriften in der langen Liste (http://blogs.ubc.ca/documenta/files/2017/07/List-of-Banned-Books-2017-08-01.pdf ) aufgeführt, das Buch „Die Drei Frauen“ befindet sich nicht darunter. Das Germanistische Institut hat eine großartige Arbeit geleistet mit der Recherche zensierter Bücher – schade, dass die Geschäftsführerin der documenta und Museum Fridericianum GmbH mit ihrer manischen Suche nach „Falschmeldungen“ diese Diskussion jetzt losgetreten hat.
bEntlarvend auch ein weiteres Beharren von Frau Kulenkampff: es „handelt sich um 17 und nicht um 16 afrikanische Künstler“ (wie ich schrieb), deren Beiträge von Stiftung Sidika Dokolo finanziell unterstützt wurden – das wollte sie unbedingt richtiggestellt haben. Tatsächlich sind es aber 16 Künstler. Die Nummer 17 ist ein Kurator, La Medina ist der Name eines Kulturzentrums. Die Pressesprecherin und Beraterin der Stiftung, Bomi Odufunade, schreibt: „They are 16 artists but we are also including curator Igo Diarra und La Medina’s installation of Ali Farka Touré (on display at Documenta Halle).“

Annette Kulenkampf auf der d14 PK in Athen. Foto Wolfgang Träger

Annette Kulenkampff auf der d14 PK in Athen. Foto Wolfgang Träger

Ganz besonders traurig stimmt der Nachsatz in der email der Geschäftsführerin: „Es ist völlig unerheblich von wem Sie die Informationen erhalten. Wesentlich ist ausschließlich, ob es sich um eine falsche Tatsachenbehauptung handelt. Dies ist hier in allen 4 Punkten der Fall. Aus diesem Grund fordern wir Sie auf, diese zu berichtigen. Vorsorglich weisen wir Sie auf mögliche Schadenersatzansprüche aufgrund nicht umgehend berichtigter Passagen hin.“ Schadensersatzansprüche? Welchen Schaden kann denn die Ausstellung genommen haben, zumal es ja zwischenzeitlich Jubelmeldungen über Besucherrekorde gab? Oder ging es in all den Anschuldigungen gar nicht um die Ausstellung, sondern um Personen? Hatte ich ganz unwissentlich in Wespennester gestochen?
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Ein weiterer von Kulenkampff angeführter Punkte war noch: „Der Obelisk von Olu Oguibe wurde wie auch die anderen Werke auf der documenta 14 von afrikanischen Künstlern nicht „von Sindika Dokolo finanziert“, der nur mit einem kleinen Betrag beteiligt war. Den größten Anteil der Kosten übernahm die documenta. Genauso wenig handelt es sich um „eines der teuersten Werke der documenta“. Darüber hinaus ist das Werk ist in drei Teilen produziert und kann sehr wohl abgebaut werden und muss nicht zerstört werden.“ Nun war diese Aussage als Zitat des Kurators Bonaventure Soh Bejeng Ndikung ausgewiesen worden – seine Worte sind also laut Geschäftsführerin „völlig unerheblich“?
2017-06-08-17-15-29-kopieTatsächlich uninformiert war ich offenbar bei einem anderen Punkt, den mir zwar einige, darunter auch der Sammler selbst, bei Nachfragen bestätigten hatten, was aber offenbar tatsächlich falsch war. Im Newsletter des Kunstforums kam daher diese Meldung: „Ohne Sponsoren kommt kaum eine große Kunstausstellung aus. Zu den ideell wichtigsten Förderern der diesjährigen documenta gehört Sindika Dokolo. Der afrikanische Geschäftsmann und Kunstsammler unterstützte über seine Stiftung die Beiträge der afrikanischen documenta14-Künstler. 1972 in Zaire geborene, aufgewachsen in Belgien und Frankreich, lebt Dokolo heute in Angola. In der Hauptstadt Luanda gründete er 2006 die Angola Triennale und betreibt dort ein Kunstzentrum. Sein Beitrag zur documenta umfasste laut Aussage von documenta-Geschäftsführerin Annette Kulenkampff „eine Beteiligung von 20.000 Euro für jeden der 17 Künstler“. Kulenkampff betont weiter: „Die Produktionskosten der einzelnen Kunstwerke war (sic!) in allen 17 Fällen wesentlich höher als die Fördersumme der Stiftung.“ Eigentlich sind es ja nur 16 Künstler, wieso spricht die documenta von 17? „We are also including curator Igo Diarra and La Medina´s installation“ in der documenta Halle, erklärt Bomi Odufunade, Beraterin der Foundation Dokolo. In der gemeinsamen Vereinbarung zwischen Dokolo und documenta ist auch eine Kooperation zwischen der Stiftung in Luanda und der documenta festgehalten. Im Frühjahr 2018 möchte Dokolo „die documenta nach Angola“ bringen, wie er bei einem Rundgang in Kassel im Gespräch erklärte. In diesem Zusammenhang fordert Frau Kulenkampff die Nennung eines Vertragspassus: “The name of this exhibition can be in relation to documenta 14, but it should not be namend ´documenta´ or ´documenta14´“ – mit Spannung warten wir also auf die Formulierung für die geplante Veranstaltung. Auf der Internetseite der Stiftung Sindika Dokolo wird es so angekündigt: „Adam Szymczyk, artistic director of documenta 14, and Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, curator-at-Large of the exhibition, will organize an exhibition in Luanda, Angola, with my foundation. The artists of documenta 14 will be invited to participate in the Luanda event.“ Ebenfalls im nächsten Jahr wird übrigens ein weiteres Projekt von Dokolo eröffnen: das „europäische Headquarter“ der Dokolo-Stiftung in Porto (Portugal). Seit Jahren recherchiere er historische, aus Angola gestohlene Kunstwerke, die er zu fairen Bedingungen zurückkaufe, erzählte Dokolo. Eine Auswahl daraus will er in dem geplanten portugiesischen Kunstzentrum zeigen, gefolgt von Ausstellungen zeitgenössischer afrikanischer Kunst.“
Interessant war übrigens die mail vom 24.8.2017 von Biljana Gligorić, Rechtsreferat und Vertragsmanagement, als Korrekturwunsch zu meinem Statement: „Frau Kulenkampff agiert für die documenta und Museum Fridericianum gGmbH, nicht als Privatperson. Aus diesem Grund halten wir es für angebracht, den Namen von Frau Kulenkampff durch den Namen documenta und Museum Fridericianum gGmbH zu ersetzen.“ Ob sich da schon neue Entwicklunge abzeichneten?
xeipete-kopie-2Kulenkampff führt im Namen der documenta und Museum Fridericianum gGmbH einen gefährlichen Kampf. Mit Drohungen will sie die freie Presse einschüchtern und beeinflussen. Ihr Rat, den wohl auch Pressesprecherin Gallus teilt, die sich gerne Interviews kontrolliert: „Um zukünftig solche groben Fehler zu vermeiden empfehlen wir Ihnen, entsprechende Textpassagen unserer Kommunikationsabteilung im Vorfeld zuzusenden.“ Darauf also läuft es hinaus? In ihrer mail vom 1. August schrieb Kulenkampff: „Ich frage mich, was das Kunstforum unter journalistischer Arbeit und vielleicht sogar Ethik versteht.“ Die Frage möchte ich hiermit zurückgeben.