Mit einer Fähre gelangt man zur Insel Porquerolles im äußersten Süden Frankreichs. Dort ist es heiß, die Wege staubig, der zehnminütige Fußmarsch zum Privatmuseum Fondation Carmignac eine kleine Herausforderung. Dann steht man im Museum. Der Investmentbanker Edouard Carmignac ließ die Räume unterirdisch anlegen, denn auf Porquerolles herrschen strikte Bauregeln. Hier leben knapp 300 Einwohner. Im Sommer kommen rund 5000 Tagestouristen dazu. Knapp acht Kilometer lang und drei Kilometer breit, besiedelten zunächst Soldaten Napoleons III diese größte Insel der Iles d´Hyères. Später befand sie sich in belgischem Privatbesitz. Mit dem Ankauf durch den französischen Staat 1971 wurde sie zum streng geschützten Nationalpark.
Hier also steht Carmignacs 2000 Quadratmeter großes Museum, das man nur barfuß betreten darf – um den Staub der Straßen draußen zu lassen, um die Kunst ganz besonders genießen zu können. Jedes Jahr im Mai eröffnet hier eine kuratierte Ausstellung, dieses Jahr ist Chris Sharp dafür verantwortlich. Als freier Kurator, neuerdings auch Galerist in Los Angeles, greift er den direkten Kontext auf: „The Imaginary Sea“ handele von einer „dreamlike yet vulnerable sea“, erklärt er im Katalog. Mit Werken von 33 Künstler*innen von Paul Klee über Yves Klein bis zu Michael E. Smith und Yuli Agematsu entführt er in eine zauberhafte Unterwasserwelt. Die Architektur des Museums ist als Kreuz angelegt, die Mitte füllt Bianca Bondis aus vielen Spezies zusammengesetztes Skelett eines Wales, das über einer blendend weißen Salzlandschaft schwebt. Fast fröhlich dagegen Micha Leurys Quallen-Installation und faszinierend Jochen Lemperts Fotografie-Studien der Meeres-Fauna. Durch die wie eine Höhle angelegte Solo-Schau von Miquel Baraceló führt der Weg dann in den Skulpturengarten. Hier sind die permanenten Werken vermischt mit temporären Beiträgen wie Jean-Marie Apprious auf ihren Flossen tanzenden Fischen. Zwar fehlt es der Schau bisweilen an inhaltlichem Tiefgang, aber das macht die grandiose Location wett.
The Imaginary Sea, Fondation Carmignac (20. Mai-17.10.2021)
veröffentlicht in: Kunstforum online, 4.8.2021