Helen Cammock, 7. Max Mara Art Prize for Women

25. Okt. 2019 in Ausstellungen

Eröffnungsperformance von Helen Cammock, Collezione Maramotti 2019

Eröffnungsperformance von Helen Cammock, Collezione Maramotti 2019

Der Max Mara Art Prize for Women ist eine der wenigen, ausschließlich Künstlerinnen gewidmeten Förderungen. Wesentlicher Teil des 2005 begonnenen, in Kooperation mit der Londoner Whitechapel Gallery im Zweijahres-Rhythmus vergebenen Preises ist es, dass die Gewinnerinnen sechs Monate lang in Italien leben und recherchieren. Gerade eröffnete in der rund eine Autostunde von Bologna entfernt gelegenen Collezione Maramotti die Ausstellung der 7. Preisträgerin, Helen Cammock. Maramotti ist die Eigentümerfamilie der Max Mara Fashion Group, die in den oberen Etagen der ehemaligen Produktionshalle ihres Unternehmens ihre Privatsammlung mit rund 200 Exponaten zeigt. Im Erdgeschoß laufen Wechselausstellungen, bis Februar jetzt Helen Cammocks in Italien entstandener, 80 Minuten-Film plus Zeichnungen.
chorus-5Die 1970 in England geborene Künstlerin besuchte in den letzten Monaten quer durch Italien rund 100 Frauen auf ihrer Suche nach „verborgenen, weiblichen Stimmen“, wie sie erklärte. Mit 30 führte sie Interviews und entschied sich zuletzt für 7 Protagonistinnen in ihrem 3-Kanal-Video „Che si puo fare“. Von barocker Musik umrahmt und über drei Leinwände verteilt, kommen nacheinander unter anderem eine Nonne zu Wort, die weiblichen Flüchtlingen hilft, eine Widerstandskämpferin aus Zeiten Mussolinis, eine Übersetzerin von Anti-Apartheid-Texten und eine Pressefotografin, die Mafia-Morde dokumentierte. Zur Eröffnung führte Cammock eine Performance auf, die sie zusammen mit den Akteurinnen aus ihren – meist tragischen – Lebenserfahrungen erarbeitete. Wie die Interviewpartnerinnen im Film handelt auch die Performance von Verlust und Widerstand, manchmal voller Enthusiasmus, manchmal getragen von Leid. Zwischen die Film-Interviews montierte Cammock tagebuchähnliche Momente, Aufnahmen von Blumen, Architekturen und Alltag. In den weitgehend bedeutungsfreien Impressionen kann man eine verträumte Gegenwelt zu den erzählten Erlebnissen von Leid und Traumata lesen. Oft kommt Wasser ins Bild, am Meer, am Fluss, in Springbrunnen. Es sei vor allem der Sound des Wassers, der sie interessierte, erklärte die Künstlerin. Und immer wieder führt die Reise nach Venedig – die Lagunenstadt sei ein Sinnbild dafür, „dass wir nicht dem zuhören, was wir zerstören“.

nominierte Kandidatinnen für den 8. Max Mara Art Prize for Women mit Luigi Maramotti

nominierte Kandidatinnen für den 8. Max Mara Art Prize for Women mit Luigi Maramotti u. Iwona Blazwick. Foto Collezione Maramotti

 

Am Tag nach der Eröffnung wurden auch die fünf nominierten Künstlerinnen für den 8. Max Mara Art Prize for Women bekannt gegeben: Allison Katz, Katie Schwab, Tai Shani, Emma Talbot und Hannah Tuulikki.

veröffentlicht in: Kunstforum online, 14.10.2019

Helen Cammock, Collezione Maramotti, Reggio Emilia, 13.Oktober 2019 – 16. Februar 2020

http://www.collezionemaramotti.org/en