Meisterwerke des Impressionismus im Louvre Abu Dhabi

08. Feb. 2023 in Ausstellungen

Impressionism, Louvre Abu Dhabi. Department of Culture and Tourism – Abu Dhabi Photo by Seeing Things

Meisterwerke in der Wüste – Impressionismus im Louvre Abu Dhabi
Nichts als Sand war auf der Insel Saadiyat, als 2007 erstmals die große Ankündigung kam: Hier werde das Louvre Abu Dhabi entstehen. Ein Vertrag des Emirats mit Frankreich über kolportierte 1.5 Milliarden Euro garantierte dafür Leihgaben aus französischen Museen und einen konstanten Wissensaustausch bis zum Jahr 2037. Einige Finanz- und Baukrisen später folgte Ende 2017 die Eröffnung. Seither kamen mehr als drei Millionen Besucher, um in der atemberaubend schönen Architektur von Jean Nouvel ein Museum zu erkunden, das mit einem zukunftsweisenden Konzept die Gemeinsamkeiten der Kulturen in unserer Menschheitsgeschichte betont. Dafür entwarf Nouvel eine gigantische Kuppel von 180 Meter Durchmessern über einen Parcours von mehreren Kuben für Ausstellungen, zwischen denen man beschattet spazieren kann. Das Museum auf der mittlerweile dicht bebauten Insel ist derartig erfolgreich, dass jetzt zum fünfjährigen Jubiläum der Vertrag mit Frankreich bis 2047 verlängert wurde. Zur großen Feier leiht das Pariser Louvre der arabischen Schwester für zwei Jahre eines ihrer Meisterwerke aus: Leonardo da Vincis „Johannes der Täufer“ (1508-1519). Es ist eine für ein islamisches Land gewagt erotisch-genderfluide Darstellung eines sehr mädchenhaften Jünglings, dessen Zeigefinger auf ein Kreuz deutet, das leise aus dem dunklen Hintergrund herausleuchtet. Louvre Abu Dhabi-Direktor Manuel Rabaté nennt das Ölbild ein „Kronjuwel“ des Pariser Louvre. Jetzt hängt es im Saal 7 der permanenten Sammlung. Motive auf Bildern, Teppichen bis Porzellantellern erzählen hier vom transkulturellen Austausch rund um den Globus im 16. bis 18. Jahrhundert. Der Neuzugang  aktualisiert das Thema mit dem neuen Transfer. Als zweiter Höhepunkt der Jubiläumsfeier läuft noch bis Anfang Februar eine grandiose Impressionismus-Ausstellung mit rund 200 Werke von 40 Künstlern, darunter 120 Leihgaben aus dem berühmten Musee d´Orsay und vier Werke aus der hauseigenen Sammlung. Derartig viele hochkarätige Meisterwerke sind heute nur noch selten zusammen zu sehen, die Versicherungskosten kann kaum ein westliches Museum mehr aufbringen.

Department of Culture and Tourism – Abu Dhabi Photo by Seeing Things

Aber es ist nicht als simple Blockbuster-Ausstellung mit aneinandergereihten Star-Namen angelegt, sondern eine behutsame Einführung in eine der wichtigsten Epochen der jüngeren Kunstgeschichte. Es zeigt „Wege in die Moderne“, so der Untertitel – eine Schau, die eine Welt im Umbruch zeigt. Mit einem filmischen Zeitraffer zu Beginn der Ausstellung wird zunächst der gesellschaftspolitische Kontext des 19. Jahrhunderts erzählt: Industrialisierung, technologische Innovationen wie die wachsende Mobilität, das Leben in der Großstadt und ein verändertes Zeitempfinden revolutionieren das Leben der Menschen. In der Kunst bedeutet es den Bruch mit dem damals herrschenden Akademismus und den Beginn einer rebellischen Generation junger Maler, die verrauchte Zugstationen bis zu müde Frauen beim Bügeln bildwürdig finden. Mit dem Beginn der Moderne verschwinden die heroischen und religiösen Motive zugunsten der Impressionen von Lichtspielen, sensuellen Eindrücken und flüchtigen Augenblicken.

Department of Culture and Tourism – Abu Dhabi Photo by Seeing Things

Im Louvre Abu Dhabi beginnt diese neue Welt mit Édouard Manets „Bohemian“ (1867), seit 2009 im Besitz der hauseigenen Sammlung. Gemalt Anfang der 1860er Jahre, zerschnitt Manet das ursprünglich größere Bild „Die Zigeuner“ in drei unabhängige Teile. Ohne klare Geschichte blickt uns jetzt der junge Mann aus dem Bild heraus radikal isoliert an – die Impressionisten brauchten keine Narrationen mehr, ihr Thema war die Malerei. In einer lose chronologischen Ordnung treffen hier die großen Meister Pissaro, Sisley, Degas, Cezanne auf weniger bekannte Zeitgenossen wie Berthe Morisot, die in ihrem Werk „Die Wiege“ (1872) Mutterschaft thematisiert, was zu ihrer Zeit als „Kriegserklärung an die Schönheit“ bezeichnet wurde. Gegen Ende der Ausstellung wird der Übergang der Kunst ins Bürgertum betont: Bürgerliche Portraits als Auftragsarbeiten zeugen von der zunehmenden Kommerzialisierung. Statt Menschen der höheren Gesellschaft wird das einfache Volk bildwürdig, wenn etwa Paul Cézanne in „Frau mit Kaffeekanne“ (1890-95) eine bäuerliche Frau mit einem groben Kaffeebecher darstellt – welch Kontrast zu Auguste Renoirs „Eine Tasse Schokolade“ (1878) wenige Jahre früher! Renoir zeigt das als ´Margot´ bekannte Model, wie sie aus einer feinen, blau-weißen Tasse trinkt, die den damaligen Trend zum Japonismus widerspiegelt. Die Ausstellung endet mit einem unvollendeten Werk Monets aus seiner Reihe „Trauerweide“, das er fast vollständig erblindet aus der Erinnerung malte. Heute gesehen ist es pure abstrakte Malerei – der Beginn eines neuen Kapitels, dass dann im nur wenige Schritte entfernten Guggenheim Abu Dhabi thematisiert wird, dessen Eröffnung für 2025 geplant ist.

veröffentlicht in: Die Presse, 9.1.2023

Louvre Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate, 12.10.2022-5.2.2023