neue Direktion Kunsthalle Wien: Michelle Cotton

15. Apr. 2023 in News

Pressekonferenz 14.4.2023: Verena Kaup-Hasler, Michelle Cotton, Dirk Snauwaert. Foto SBV

Nach einer zweimaligen Ausschreibung hat die Kunsthalle Wien endlich eine neue Leitung bekommen: Michelle Cotton, die im Sommer 2024 beginnend wird.

„Guten Morgen Wien. Ich bin die Neue.“ Mit diesen Worten stellte sich heute die kommende künstlerische Leiterin der Kunsthalle Wien vor: Michelle Cotton. Anders als das amtierende, für ideologisch strikte Konzepte bekannte Direktionsteam WHW ist die geborene Britin noch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Für diese Entscheidung brauchte es allerdings zwei Durchgänge. Die erste, sechsköpfige Findungsgruppe mit u.a. Jasper Sharp und Alexandra Grausam konnte unter den damals 20 Bewerbungen kein Konzept finden, dass „für die Anforderungen an eine erweitere Öffentlichkeit für die Kunsthalle Wien in den nächsten fünf Jahren ausreichen würde“, wie es Kulturstadträtin Verena Kaup-Hasler bei der heutigen Pressekonferenz formulierte. „Es reicht nicht aus, gut zu sein.“ Damit schied auch das 2019 berufen Zagreber Kuratorinnen-Team aus. WHW zeigten sich darauf hin offen enttäuscht bis beleidigt. 2022 hatten sie elf Ausstellungen gezeigt, die Kataloge zu den Personalen werden allerdings erst jetzt, Monate später produziert. Trotz 176 Führungen, 49 Workshops, 97 Veranstaltungen und 33 Podcast-Folgen¬ lag die Besucherzahl 2022 bei mageren rund 60.000 Besuchern, vor der Pandemie 2019 waren es mit 73.150 auch nicht deutlich mehr. Gegen ihre Nicht-Weiterbesetzung protestieren leise wenige Wiener Künstlerinnen; Wiener Secession und Kunstakademie am Schillerplatz schrieben offene Briefe. Aber nichts änderte die Entscheidung. Mitte 2024 endet WHWs Vertrag.

Michelle Cotton. Courtesy Kunsthalle Wien

Für die zweite Ausschreibung kamen dann 37 Bewerbungen, 45 Prozent davon „tragen weibliche Namen“, wie es Kaup-Hasler formuliert. Zehn stammen aus Österreich. Die jetzt neunköpfige, um Ramesch Daha (Wiener Secession), Adam Budak (Kestner Gesellschaft Hannover) und Dirk Snauwaert (Wiels Brüssel) erweiterte Jury wählte nach sieben Anhörungen und „heftigen Diskussionen“ Michelle Cotton – nicht in einem Dreiervorschlag, sondern als finale Kandidatin. Die 1977 in Preston geborene, zur Zeit als Programmleiterin in MUDUM in Luxemburg arbeitende Kunsthistorikerin will „künstlerische Prozesse initiieren“, das „lokale Kunstgeschehen wahrnehmen“, ihr Schwerpunkt liege auf „kooperativem Handeln“, heißt es zu der Entscheidung. Sie sei die Einzige gewesen, die das ganze Haus in einer Verbindung von gestern und heute in ihrem Ausstellungskonzept verbunden habe. Ihre „Sensibilität hinsichtlich Inklusion, Zugänglichkeit und der integrativen Rolle von Kunst und Kultur in der Gesellschaft macht ihre Bewerbung so überzeugend“, so Kaup-Hasler und hebt hervor, dass Cotton die „kritische Auseinandersetzung der Kunsthalle mit hegemonialen Kunstgeschichtsschreibungen fortführen wird“ – womit wohl gemeint ist, dass Cotton in ihren Ausstellungen bisher überzeugend Kunst aus allen Teilen des Globus einbezieht. Die neue Leiterin selbst verrät kaum etwas über ihre Pläne, nur so viel: „Wie können wir die nächsten Generationen inspirieren?“ fragt sie. Und betont: „Ich will die Kunsthalle einem größeren, diverseren Publikum öffnen, das immer wieder kommt“. Wie bereits die amtierende Leitung will auch Cotton „historisch übersehene Minoritäten“ einladen. „Michele Cottons Konzept macht neugierig“, fasste es Kaup-Hasler abschließend zusammen.

veröffentlicht in: Die Presse, 15.4.2023