Im Wiener Messekalender ist die Parallel Vienna ein fixer Termin. Heuer zur 12. Ausgabe wollen die neuen Eigentümer den Festivalcharakter stärken.
Kunstmessen sind meist in langen Gängen wohlgeordnete Aneinanderreihungen von gediegenen Verkaufskojen. Wie anders dagegen die Parallel Vienna! Seit 2013 findet dieses „parasitäre“ Projekt, wie es Mitgründer Stefan Bidner einmal nannte, in wechselnden Leerständen statt, zur Premiere im ehemaligen k.u.k. Telegrafenamt bei der Börse, später auf stolzen 20.000 Quadratmetern in der Alten Post oder in zwei Häusern der ehemaligen Semmelweisklinik.
Bidner sah damals „ein Defizit an Plattformen für jüngere Künstler“, denen er seither eine Bühne gibt – zeitlich perfekt gelegen parallel zur großen Kunstmesse Vienna Contemporary. Zwar nehmen auch bei Parallel Vienna kommerzielle Galerien teil, aber mindestens ebenso viele alternative Kunsträume.
Herzstück sind Künstler und Künstlerinnen, die eingeladen und finanziert von der Messe meist neue Werke schaffen. Das Ergebnis dieses Konzepts ist eine herrlich chaotische, charismatische, von viel Improvisationstalent bestimmte, niedrigschwellige Veranstaltung in semi-renovierten Räumen, die Jahr für Jahr mehr Besucher anzieht. 2023 waren es auf dem Otto-Wagner-Areal an der Baumgärtner Höhe stolze 17.000.
Das klingt nach einem Erfolgskonzept, wenn auch bisher eher nicht in ökonomischer Hinsicht. Das könnte sich bald ändern. Denn 2023 wechselten die Inhaber: Von den ehemaligen Gründern sind noch Stefan Bidner und Daniel Haider übrig, neu hinzugekommen sind Alexander Knechtsberger und Robert Ramsauer.
Knechtsberger bringt Erfahrungen durch seine DocLX-Event-Agentur ein, die weltweit Maturareisen, CityCards und Musikfestivals wie das Lighthouse Festival für elektronische Musik organisiert. Robert Ramsauer arbeitete mehr als 25 Jahre als Banker und Investor, ist Mitbegründer des Modelabels ´Peoples of all Nations´ und begeisterter Sammler. Er lebt in der Steiermark, Paris und Ibiza.
Über den Preis ihrer Anteile an Parallel Vienna will Ramsauer nicht sprechen. Aber über ihre Motivation: Sie seien angesprochen worden, hätten mit vielen, vor allem Künstlern geredet und sich dann für den Einstieg entschieden. „Kunstmessen sind inflationär geworden und erstaunlich unkreativ organisiert“, erklärt Raumsauer im Gespräch. Sein Schwager und er hätten nie in eine solche traditionelle Veranstaltungen investiert. Sie interessiere „die Offenheit dieser positiv aufgeladenen Marke“.
Bedeutet ´Offenheit´, dass die Parallel Vienna jetzt mit neuen Ständen durchsetzt wird, ähnlich der Frieze London mit als Galerien getarnten Modelabels? Erwarten die beiden Miteigentümer wie der neue Investor der Art Basel ein finanzielles Potential? Die Standgebühren der Parallel Vienna sind sehr moderat, kommerzielle Galerien zahlen 2.500 Euro, Off-Spaces 1000. 31 Galerien nehmen heuer teil, 34 Project Statements, 17 COOP Statements, 6 Institutionen, 18 Interventionen und 32 Artist Statements, insgesamt rund 600 Künstler bei knapp 140 Teilnehmern.
Es sei sicher „kein Minusgeschäft“, umschreibt Ramsauer die Situation. Und ausbaufähig. Schon bisher ist Parallel Vienna ergänzt durch die Parallel Editions-Messe für Kunst in limitierten Auflagen und den Parallel Skulpturenpark in Gmunden. Noch bis zum 31.8. stehen hier 35 Skulpturen bei Preisen von 3000 bis 500.000 Euro im Toscana Park am Traunsee, frei zugänglich rund um die Uhr. Sollen noch mehr ähnliche, neue Formate kommen? „Wir werden immer wieder auf Kollaborationen in anderen Städten angesprochen“, erklärt Raumsauer, „vielleicht expandieren wir mit Parallel Vienna über die Landesgrenzen hinaus.“
Aber erstmal sind Änderungen in der Struktur geplant. „Wir wollen den Festivalcharakter stärken“ – dazu gehöre der neue Fokus auf Performances, das neue Fünf-Tages-Ticket und der Ausbau des Gastro- und Getränkeangebots mit mehr Ständen in dem Gelände.
Die 12. Parallel Vienna findet heuer zum zweiten Mal in der ehemaligen „Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke“ statt, wie das 1904 bis 1907 nach Plänen von Otto Wagner errichtete Areal im 14. Bezirk ursprünglich hieß. 34 Pavillons verteilen sich in der riesigen Parkanlage, klinisch genutzt ist mittlerweile nichts mehr, das Areal wird zu einem Wissenschafts-, Kultur- und Bildungsstandort entwickelt.
Vom 11.-15. September gastiert Parallel Vienna in den Pavillons Nummer 7 und 16, in der ehemaligen Küche findet die Partynacht des Lighthouse Festivals statt. Erstmals steht ihnen auch das Jugendstiltheater zur Verfügung. Als „Zeremoniemeisterin“ wird hier der „Literatur-Shootingstar“ Lydia Haider mit über 50 Akteuren aus dem „Who is who der aktuellen Kunst-, Performance und Musikszene“ ihre „Parallel Religion“ proklamieren, wie es der Pressetext mit überschwänglichen Superlativen ankündigt – was vielleicht indirekt die neue Richtung zeigt: „Wir wollen Parallel besser und größer machen“ – auf keinen Fall soll dabei „der besondere Charakter verloren gehen“.
veröffentlicht in: Die Presse, 10.9.2024
Parallel Vienna,11.-15.9.2024