Saudi-Arabien: Wadi AlFann in AlUla

14. Mrz. 2023 in Biennalen, Reisen

Digitaler Entwurf von Ahmed Mater für das Wüstental Wadi AlFann. Visualization by Atelier Monolit. Courtesy ATHR Gallery

Von der Islamischen Biennale in Jeddah über die Andy Warhol Ausstellung in AlUla bis zum riesigen Landart-Museu namens Wadi AlFann in der Wüste – Saudi-Arabien wird zur nächsten must-go-Destination der Kunst – und nutzt dabei gezielt  die Macht der Kunst zum Rebranding. Und für einen massiven gesellschaftlichen Umbruch.

Islamic Biennale, Jeddah 2023. Foto SBV

Hajj-Terminal Flughafen Jeddah: Islamische Biennale 2023. Foto SBV

Früher war hier ein kleiner Park, der zu dem riesigen, eigens für Mekka-Pilger gebauten Hajj-Terminal des Jeddah Flughafens gehörte. Jetzt stehen auf dem 5000 Quadratmeter großen Gelände fünf gefühlt 15 Meter hohe „Galerien“, in denen die erste Islamische Biennale im Innen- und Außenraum mit 55 internationalen Künstlern stattfindet. Ihre Werke erzählen von spirituellen Erlebnissen, denn Thema ist das Leben eines Moslems. Im letzten Teil werden „Samen“ gelegt für „Dialog und Austausch“, wie es im Wandtext heißt: die historischen Leihgaben stammen aus zwölf islamischen Ländern, darunter Aserbaidschan, Barmako, Kuwait, Oman, Usbekistan und auch das neulich noch geschmähte Qatar. Wer meint, Kultur sei nur ein harmloses Freizeitvergnügen, wird angesichts solcher Projekte in Saudi-Arabien gerade eines Besseren belehrt! Hier dient die Kunst handfesten politischen Interessen.

Kamruzzaman Shadhin, The River Remembers, 2023. Islamic Biennale, Jeddah 2023. Foto SBV

Muhannad Shono, Islamic Biennale, Jeddah 2023. Foto SBV

Denn es geht um eine neue Zukunft. Und dafür braucht es eine neue Erzählung, wofür sich Kunst bestens eignet. Begonnen hat diese Entwicklung 2019, seither krempelt Kronprinz Mohammed bin Salman das Land massiv um. Er entmachtete die Religionspolizei, hob das Verschleierungsgebot für Frauen auf und erlaubt allen Musik, Tanz, Kino. „Vision 2030“ nennt er sein milliardenschweres Projekt, mit dem er sein Land auf die Zeit nach dem Ölboom vorbereitet. Ein wichtiger Eckpfeiler darin ist Tourismus und  Kultur. So fanden bereits letztes Jahr die Diriyah Biennale in Riad und Desert X in AlUla statt. AlUla ist eine Oase rund 700 Kilometer nordwestlich von Jeddah. Das Gebiet ist so groß wie Belgien und geprägt von einer faszinierenden Wüste mit bizarren Felsschluchten. Einst war hier alles vom Roten Meer überflutet. Felsgravuren erzählen von vorchristlicher Besiedlung, Mitte des 2. Jahrtausends v.Chr. gehörte das Gebiet zur Weihrauchstraße. Die eindrucksvolle Ausgrabungsstätte Hegra zeugt mit den über 100 in die Felsen gehauenen Gräbern von dem Volk der Nabatäer, die hier Handelsstützpunkte hatten.

Konzerthalle Maraya, AlUla, Saudi-Arabien. Foto SBV

Jetzt entsteht in AlUla ein gänzlich neues Projekt: Wadi AlFann. Es gehört zum Programm eines „Premium Luxery Tourisms“, wie Chief Tourism Officer Philip Jones betont. „Wir wollen kein Dubai“, fasst er die Strategie zusammen. Noch seien es rund 200.000 Besucher im Jahr, ihr Ziel sei höchstens 2 Millionen, bis 2026 sollen 2000 „Schlüssel“, wie er die Hotelzimmer nennt, fertig sein. Geplant werden Luxus-Boutique-Hotels, alles werde nachhaltig angelegt und behutsam in die Landschaft eingefügt. Und das gilt auch für die Kunstprojekte. So vereint die außen komplett verspiegelte Fassade der Maraya Concert Hall sich perfekt mit der Umgebung. Hier eröffnete letzte Woche die erste Andy Warhol-Ausstellung unter dem Titel „Fame“. Warhols Homosexualität bleibt wohlweislich ausgeklammert, darauf steht in dem Königreich als Höchststrafe der Tod. Wer oder was immer in Saudi-Arabien ausgestellt, muss „den Islam respektieren“, wie uns erklärt wurde.

Hegra, AlUla, Saudi-Arabien, 2023. Foto SBV

Digitaler Entwurf von Ahmed Mater begehbarem Werk für das Wüstental Wadi AlFann. Visualization by Atelier Monolit. Courtesy ATHR Gallery

Gut eine halbe Stunde von Maraya entfernt entsteht „Wadi AlFann“, das 65 Quadratkilometer großes ´Tal der Kunst´. Die Land Art-Heroen James Turrell, Michael Heizer und Agnes Denes arbeiten schon seit drei Jahren an ihren Beiträgen, unter der Leitung der ehemaligen Whitechapel Art Gallery-Direktorin Iwona Blazwick kamen noch die beiden Saudi-Künstler Ahmed Mater und Manal Al-Dowayan dazu. Turrell wird einen dieser mächtigen, freistehenden Sandsteinfelsen zu einem Skyroom mit offenem Himmel aushöhlen, Heizer wird Formen in die Felsen eingravieren, Mater einen begehbaren unterirdischen Raum installieren.

Wadi AlFann in AlUla. Courtesy of the Royal Commission for AlUla

In WadiAlFann werde in enger Absprache mit Geologen und anderen Wissenschaftlern entwickelt, betont Blazwick voller Euphorie. Bald sollen die nächsten fünf Projekte entschieden werden, 2024 die ersten Projekte zugänglich sein. Blazwick ist auch zuständig für den Sammlungsaufbau des geplanten Museums, das unter dem Titel „Perspective Galleries“ mit mehreren Partnerinstitutionen kooperieren wird. Das Pariser Centre Pompidou unterzeichnete bereits einen einjährigen Vertrag, budgetiert sind 2 Millionen Euro für die erste Phase. Dabei geht es keineswegs um eine Namensübertragung wie beim Louvre Abu Dhabi, sondern um Austausch.

Wadi AlFann in AlUla. Courtesy of the Royal Commission for AlUla

„Cultural dialogue“ heißt diese Strategie, die auf bilaterale Verträge und Kooperationen setzt. Vorbehalte hat dabei offenbar niemand mehr –  vielleicht weil in Saudi-Arabien die Budgets großzügig angelegt sind? Das ist auf der Islamischen Biennale an solchen Details wie den Vitrinen und der Beleuchtung zu erkennen, die so perfekt ausgeführt sind wie es sich kaum eine westliche Biennale leisten kann. Aber auch bei der Medienarbeit, die nicht nur Journalist:innen aus aller Welt, sondern auch große Gruppen von Akademiker:innen, Kurator:innen und Museumsdirektor:innen zu jedem Ereignis einfliegt, um die neue Erzählung zu manifestieren und die saudische Kunst zu vernetzen – was durchaus aufgeht, wenn etwa die Uffizien in Florenz eine Ausstellung mit Ahmed Mater planen, wie Direktor Eike Schmidt beim Rückflug erzählte. Noch verbinden viele das Königreich mit einer verheerenden Menschenrechtslage, dem zerstörerischen Krieg in Jemen und der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi. Aber hier in der Millionen Jahre alten, atemberaubend schönen Wüstenlandschaft AlUlas geht die neue Erzählung des Wüstenstaats als friedliche Oase für Kunst perfekt auf.

Premium Luxery Tourism-Hotel Banyan Tree AlUla, Saudi-Arabien. Foto SBV

veröffentlicht in: Die Presse, 7.3.2023