Das deutsch-französische Künstler-Trio Troika verwandelt den ehemaligen Teppichsaal im MAK mit „Terminal Beach“ in ein dystopisches Strand-Szenario.
Mit dem flachen Uferstreifen am Meer namens Strand verbinden wir vor allem Sonne, Urlaub und viel Freude. Im MAK erleben wir jetzt das Gegenteil. Gleich neben der großen Säulenhalle hat das Künstler-Trio Troika einen dystopischen ´Strand´ aufgebaut. In der Mitte steht ein riesiges Wasserbecken, hinten auf der LED-Wand läuft ein beängstigender Animationsfilm: Auf einer kleinen, kargen Insel steht nur ein einziger Baum – der letzte. Ein Roboterarm hakt darauf unerbittlich mit einer Axt ein. Er führt aus, was wir Menschen begonnen haben.
Vogelgesang?
Mit langen, dunklen Haaren bedeckt, wirkt der Apparat wie eine gruselige Kreatur. Wird der Baum fallen? Das bleibt unentschieden, im letzten Moment geht das Licht aus. Und es geht wieder von vorne los. Die merkwürdigen, strahlend weißen Tiergestalten im und über dem Wasser jedenfalls fliehen schon, zwei Vögel mit Blumenbeinen und Pferdehufen sind bereits in der Säulenhalle angekommen. Über allem liegt ein irritierender Sound. Vogelgesang? Nein, eine Geophonie von Radiowellen, erzeugt von geomagnetischen Stürmen.
„Terminal Beach“ nennt Troika ihre beeindruckende Installation im MAK. 2003 entschlossen sich Eva Rucki, Conny Freyer und Sebastien Noel nach ihrem gemeinsamen Studium am Royal College of Art in London zur Zusammenarbeit. Seither erforschen sie gemeinsam die Veränderungen, die von Technologien bewirkt werden – „die unsere Vorstellungen von Raum, Zeit und Kultur kontinuierlich beeinflussen“, wie sie in einem Interview erklärten. „Unsere Praxis ist nicht von der Technologie als Medium und dem, was möglich ist, motiviert, sondern von den Auswirkungen, die sie auf unser Weltbild hat.“ Ihr Gruppen-Name ist perfekt gewählt, bezeichnet ´Troika´ doch sowohl eine Dreierkonstellation als auch – ehemals – ein Kontrollgremium der EU.
Troika als Teil der 1. Klima Biennale
In Wien sind diese ´Auswirkungen´ weniger die technologisch beeinflussten als die menschengemachten Veränderungen. „Terminal Beach“ ist Teil der 1. Klima Biennale Wien, die mit mehr als 60 Kooperationsprojekten über die ganze Stadt verteilt ist. Bei der Biennale-Eröffnung im April sprachen die Vertreter von Wirtschaft und Stadt davon, dass Kunst dabei helfe, „visionäre Beiträge für die klimagerechte Gestaltung der Zukunft zu schaffen“, sogar „emanzipatorisch und aufklärend zu wirken“.
Kann Kunst das wirklich? Kaum, dafür braucht es Fakten. Aber Kunst kann mit starken Bildern diese Themen so ansprechen, dass sie sich wie bei Troikas „Terminal Beach“ in unsere Hirne einbrennen. Schon der Titel zeigt dabei die Richtung: Mit ´Terminal´ werden Empfangsgebäude für Reisende oder Waren bezeichnet, im frühen Computerzeitalter auch Benutzerendgeräte – beides eher das Gegenteil von unserer Idee eines Strandes. Der Titel spielt zugleich auf J. G. Ballards gleichnamige Sammlung von SF-Kurzgeschichten von 1964 an. In der titelgebenden Erzählung zieht ein Mann auf eine für Atomwaffentests genutzte Insel, die Leser verfolgen seinen geistigen und körperlichen Verfall.
Endstation
Troikas ´Terminal Beach´ ist ebenfalls eine Endstation, in der bereits eine „Andersheit“, wie Troika es nennen, entstanden ist. Sie sprechen von einem „Übergangszustand“, ihr ´Strand´ ist bereits überflutet. Und bevölkert von „Grenzgängern“, von untereinander gekreuzten, rätselhaften Wesen wie Faune, Sphinxe, Phönixe und Zentauren – teils nach Vorbildern aus der MAK-Sammlung. Die Grenze zwischen der Welt der Maschine und unsere Welt sind hier verwischt, künstliche und natürliche Welten verschmelzen. Die Kamera-Perspektive wechselt immer wieder, Anfangs aus Sicht des Baumes, als kinematographische Draufsicht, mit dem Blick des Täters. Wir sind eingeladen, andere Sichtweisen einzunehmen. „Die Menschen hatten noch nie so viel Wohlstand und Kreativität wie heute,“ erklärt Noel bei der Pressekonferenz, „aber auch noch nie so viel Zerstörungskraft.“
veröffentlicht in: Die Presse, 15.5.2024