
Installationsansicht Emanet/Troy von Vuslat im Museum of Troy, Çanakkale, Türkei. May 24, 2025 – July 25, 2025. Foto: Osman Çapalov
Troja – ein Ort zwischen Mythos und Geschichte. Mit ihrer Ausstellung „Emanet“ bringt die Künstlerin Vuslat neues Leben an diesen sagenumwobenen Schauplatz in der Türkei.
Troja ist ein Ort des Krieges. Darum wolle sie „Emanet“ herbringen, erklärt Vuslat. Die türkische Künstlerin stellt an jenem Ort aus, der bis heute dank Homers Ilias-Legende weltberühmt ist: Vor vielen Jahrhunderten lebte hier eine Königsfamilie. Bei der Geburt ihres Sohnes Paris wurde dem Baby prophezeit, dass es das Königreich zerstören werde. Er wurde ausgesetzt, fand als junger Mann schließlich zurück in seine Familie. Dann aber bat Zeus ihn, einen Streit zu schlichten: Drei Göttinnen wollten gleichermaßen die Schönste sein. Um Paris zu bestechen, boten ihm die Streitenden Macht und Herrschaft, Weisheit und Ruhm. Die Dritte versprach ihm die Liebe zu Helena, der schönsten Frau der Welt. Paris´ Wahl war klar. Allerdings war Helena mit einem König in Griechenland verheiratet – was Paris nicht davon abhielt, sie nach Troja zu holen.
Die List des Trojanischen Pferds
Damit löste er einen der größten Kriege der Menschheitsgeschichte aus. Denn die Griechen ließen sich das nicht gefallen und segelten mit einer riesigen Flotte nach Troja. Zehn Jahre dauerte der Krieg, der am Ende mit der legendären List des Trojanischen Pferds gewonnen wurde: Als Weihegeschenk ließen die Griechen vor den Toren Trojas ein riesiges hölzernes Pferd bei ihrem scheinbaren Rückzug zurück – eine Falle. Denn im Bauch versteckt gelangten die besten Krieger in die Stadt, öffneten die Tore und eroberten Troja im Sturm. Die Prophezeiung hatte sich erfüllt.
Troja – Legende oder historische Tatsache?
Lange war es unklar, ob diese um 1200 v.Chr. spielende, von Homer um 750 v. Chr. verfasste Geschichte wahr ist. Gab es Troja tatsächlich? Genau das wollte der deutsche Geschäftsmann Heinrich Schliemann wissen. 1871 verdichteten sich Hinweise darauf, dass Troja in der Türkei liegt. Schliemann kaufte ein Grundstück in der Nähe der heutigen Stadt Çanakkale und wurde bei den Ausgrabungen fündig. Aber der Deutsche habe viel zu tief gegraben und dabei vieles zerstört, erklärt der Archäologe Rüstem Aslan, Chefausgräber und zugleich tätig am 2018 eröffneten Troja Museum. Troja sei Fakt, aber nicht ein Troja, sondern acht übereinanderliegende Siedlungsschichten vom 3. Jahrtausend v.Chr. bis zur römischen Zeit um 700 v. Chr.. Man fand Befestigungen, eine monumentale Rampe, Brunnen, auch einen Tempel für Athena und ein Theater. Der von Schliemann gefundene und schnell außerlandes gebrachte „Schatz von Priamos“ mit Goldschmuck und Werkzeugen wurde später einem weit früheren, nämlich Troja II um 2500 v. Chr. zugeschrieben.
„Jeder Stein hier hat eine eigene Geschichte“, beschreibt Aslan die riesige Ausgrabungssstätte. Im benachbarten Museum zeugen die Objekte vor allem von der römischen Zeit, an den wegweisenden Pionier Schliemann erinnert nichts – bisher. Rund 4000 Objekte wie Fotografien und detaillierte Ausgrabungsprotokolle lagern noch im Archiv des Neuen Museums Berlin, erklärt Henrik Schliemann. Er ist ein Nachkomme von Heinrichs Bruder und reiste für die Eröffnung von Vuslats Ausstellung an. Vielleicht, so hofft er, werde sich die Zusammenarbeit der beiden Häuser einmal intensivieren. Im ihrem Familienbesitz dagegen sei nichts mehr außer einem Paar goldener Ohrringe, die sein Urur-Onkel einst verschenkte und die seine Familie zurückkaufte.
Troja-Tourismus?

Blick in den Garten hinter dem Troja Museum mit Vuslats Sound Installation. Çanakkale, Turkey, 2025. Photo Credit: Osman Çapalov
Von der einst mächtigen Stadt Troja ist heut kaum etwas übrig. War es einst ein wichtiger Seehafen, ist die Stätte im Laufe der Jahrhunderte durch die Ablagerungen von zwei Flüssen rund 5 Kilometer vom Meer entfernt. Das frühere Königreich ist nur mehr ein erstaunlich untouristischer, kleiner Ort namens Hisarlik. Rundherum gibt es ein paar Lokale mit dem Charme einer Autobahnraststätte, statt luxuriöser Hotels kleine Pensionen. Endlose Wohnblöcke aus den 1950er Jahren prägen das Bild von Çanakkale, das rund 30 Autominuten vom Troja Museum und Ausgrabungsstätte entfernt ist. Da wundert es kaum, dass die großen Busparkplätze vor den Sehenswürdigkeiten erstaunlich gering frequentiert sind. Der internationale Tourismus steckt in den Anfängen. Selbst der nationale Tourismus ist überschaubar. In der Türkei sei die in Europa so berühmte Legende bis heute nicht im Schul-Curriculum, erzählt Vuslat.
Emanet: Anvertrautes Gut
Als Künstlerin trägt sie nur ihren Vornamen. Die Tochter des Medienmoguls Aydin Dogan und Ex-Ehefrau des Unternehmers Ali Ismail Sabanci kam vor 15 Jahren als Autodidaktin zur Kunst und lebt heute in Los Angeles. Letztes Jahr wurde sie von dem Archäologen Aslan eingeladen, im Troja Museum auszustellen. Troja inspiriere Künstler schon seit Jahrhunderten, und umgekehrt brauche auch die Archäologie die Kunst und Literatur, um ihre Geschichten aktuell zu halten, erklärt er seine Entscheidung für die Kombination von Gestern und Heute. Er sah Vuslats Ausstellung „Emanet“ im Baksi Museum und war sofort begeistert. Übersetzt heißt Emanet in etwa ´anvertrautes Gut´, eine immaterielle, auf Vertrauen basierende Gabe.
Zeitlose Erinnerungen in Troja
So zieht sich Vuslats Ausstellung jetzt bis Ende Juli durch die zwei Etagen des Museums bis in den Garten, wo sie Passagen aus Homers Illias mit dem Sound von Vogelstimmen kombiniert. 25 Vögel könne man in Homers Legende nachweisen, betont Kurator Paolo Colombo, sechs davon sprechen direkt zu den Helden. Vuslat spricht von einem „Pfad des Vertrauens“, den sie mit ihren Zeichnungen von Vögeln, den Keramikskulpturen und Soundinstallationen installiert habe. „Emanet“, das sei wie das Gegenstück zum Trojanischen Pferd, es sei eine Gabe an die Türkei, an jeden Besucher des Museums. Ihre Kunst, die Steine Trojas und Homers Verse verbinde eine zeitlose Erinnerung, die hier lebendig werde, so Colombo, „hier kann man die Geschichte fühlen“. Denn Troja, da sind sich alle einig, sei ein magischer Ort – eine „imaginäre Realität“, wie es Colombo nennt.
veröffentlicht in: Die Presse, 2.6.2025
Museum of Troy, Vuslat, Emanet, 24.5.-25.7.2025