Verwildern, verwalden, retten – GoBugsGo

27. Nov. 2019 in Interview

Go Bugs Go, Edgar Honetschläger, Kunsthalle Wien 27. 11.2018

Go Bugs Go, Edgar Honetschläger, Kunsthalle Wien 27. 11.2018

SBV: Du bist bekannt für deine Malerei und deine Filme. Wie kommt es, dass du jetzt mit einem ökologischen Projekt, mit GoBugsGo auftrittst?
Edgar Honetschläger: Spätestens seit den drei Supergaus in Fukushima wundere ich mich, wie man weiter in ästhetischer Produktion schwelgen kann, während um uns die Umweltprobleme bedrohlicher und bedrohlicher werden. Verstärkt hat sich dieser Eindruck durch die Landwirtschaft, die ich nördlich von Rom betreibe und da erkennen kann, wie schlimm es um die Natur steht. Ich erlebte dort einen Sommer der Stille, denn es gab keine Zikaden mehr, keine Vögel, keine Fledermäuse – nichts.

Go Bugs Go Garten in Italien // Edgar Honetschläger

Go Bugs Go Garten in Italien // Edgar Honetschläger

Der Gesang des Südens war verschwunden. Zuerst wollte ich dies in einen Film verwandeln, aber was kann ein Film/ein Kunstwerk an der Situation ändern? Nur jene werden ihn als sehenswert erachten, die sich in ihrem Weltbild bestätigt fühlen, alle anderen wird der Inhalt nie erreichen, denn die arme Kunst ist gefangen in ihrer Blase, sie kann, außer für jene, die den Weg der Kunst gehen, gesellschaftspolitisch rein gar nichts erreichen. Denn sie bleibt in sich gefangen. Bei meinem letzten Winteraufenthalt in Australien, das ich besuchte um den Urwald zu entdecken, folgte eine tiefe Traurigkeit, denn dort, wo noch vor kurzem Affen und Papageien sich in dichten Wäldern austobten, gibt es heute nur noch Kühe. Tausende Kilometer von Kühen, ausgebrannte Wiesen, Dürre. etc. 250 Jahre hat unsere Zivilisation gebraucht, um diesen Kontinent zu zerstören, davor hatten die Ureinwohner 60.000 Jahre im Equilibrium mit der Natur gelebt.
Für den westlichen Menschen ist Natur anti-zivilisatorisch und die Kunst meint die Krönung dieser, unserer Schöpfung zu sein, und diese kümmert sich in unserer Überzeugung nur um den Menschen. Wie soll man sich also von dorther Impulse erwarten? – auch wenn es in unserer Kunstgeschichte wunderbare Beispiele in der Mensch/Natur Betrachtung gibt – Beuys 7000 Eichen oder Warhol, der sagte: „I think owning land and not ruining it is the most beautiful art anybody could ever own.”

Edgar Honetschläger

Edgar Honetschläger

Meine Frage aus den Italien/Australien Erlebnissen war: Was kann man tun im Umweltengagement, wenn man keine substantiellen Summen zur Verfügung hat? Ich habe auf drei Kontinenten gelebt und es gibt da draußen tausende Menschen, die mir vertrauen. Dazu hatte ich immer die Gabe, Menschen für etwas begeistern zu können. Das ist ein Potential, das es zu nutzen gilt, nicht für mich, aber für die Sache Natur. Es geht darum, einen Konsens herzustellen, über alle Ideologien hinweg: Natur – denn ohne sie brauchen wir nicht mehr um links und rechts streiten – denn dann ist es mit uns aus. Ich bin geprägt von einer Mutter, der Natur nicht nur Thema, sondern die Luft zum Atmen war. Atomkraft verhindern war in unserer Familie Gebot, als Junger fror ich mir bei der Besetzung der Hainburger Au den Arsch ab, um diesen Teil der Donauauen, mit vielen anderen zusammen vor der Zerstörung zu bewahren. Durch mein gesamtes OEuvre zieht sich ein grüner Faden – nie vordringlich, aber in fast allen meinen Filmen spielt das Thema Natur eine maßgeblich Rolle. Und mit GoBugsGo verbinde ich die Kunst mit der Natur in einer organischen Weise.
SBV: Du willst einen Beitrag zur Rettung der Insekten leisten – ist das über einige Stücke Land tatsächlich zu schaffen? Oder ist das eine symbolische Aktion?

Logo GoBugsGo, Edgar Honetschläger

Logo GoBugsGo, Edgar Honetschläger

Edgar Honetschläger: Biologen bestätigen, dass GoBugsGo einen Beitrag leisten kann und wird. Denk doch an den Streifen zwischen Ost und Westdeutschland. Nach der Wiedervereinigung stellte man fest, dass dieser den größten Artenreichtum Europas beherbergte. Denk an den schmalen Streifen Natur neben Landstraßen, der als Abgrenzung zu den Feldern dient. In Mittel- und Nordeuropa wird dieser gemäht, in Italien nicht überall. Als Folge kann man nirgendwo mehr Kräuter und Kleingetier finden wie ebendort. GoBugsGo kann keine großen Tiere zurückbringen, aber die Streifen und Fleckerl etc., die die NPO GoBugsGo erwerben soll, werden „save havens“ für Insekten und Vögel.
GoBugsGo Wildstreifen und Patches werden zweifelsohne auch ein politischer Faktor sein, denn Bürgermeister werden sich schwer tun, unser Land in Bauland umzuwandeln, weil so viel Leute hinter der Institution stehen. Wenn man an die Überbevoelkerung denkt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch am Land kein unbebautes Fleckerl mehr zu finden sein wird und dann stehen die GoBugsGo Landstücke da wie Felsen in der Brandung. GoBugsGo ist ein Angebot an alle, aktiv zu werden. Es reicht nicht aus, auf sozialen Medien etwas zu unterschrieben. Das Engagement muss intensiver werden. GoBugsGo fordert das Individuum auf aktiv zu werden, es will den Kapitalismus mit seinen eigenen Waffen etwas entgegen setzen.
SBV: Bei absolutem Nichteingriff in die Grundstücke werden die schnell verwalden – ist das Absicht?

Edger Honetschläger kocht ein

Edger Honetschläger kocht ein

Edgar Honetschläger: Dies ist eine Frage, die vor allem von Öklogen immer wieder aufgeworfen wird. Sie sagen: GBG lässt alles wachsen wie es will, d.h. erst einmal kommen die Neophyten (die bösen invasiven Pflanzen aus dem Ausland – erinnert sehr an die Immgrationsdebatte), nach drei Jahren hat man Sträucher und nach 10 Jahren einen Wald – was ist dann mit der Biodiversität? Was mit den insekten? Es geht in der Debatte, die GoBugsGo auslöst, um die Maximal- und Radikalforderung nach NICHT MENSCHLICHEN ZONEN. Das ist schon von der Idee her für das Gross der Menschen nicht verdaubar. Bei Präsentationen, gleichwie im Umgang mit Bauern und Gemeinden beim konkreten Landkauf, bedingt diese Forderung immer wieder  Aggressionen: sie können uns doch nicht Land auf alle Zeiten entziehen!
Und doch ist gerade dieser Gedanke dazu angetan, eine Veränderung unserer Vorstellung von Natur einzuleiten. Ökologen sind Llandschaftsgärtner. die wollen gestalten. Sie hassen es, wenn sie das nicht können. Außerdem denken sie immer nur in kurzen Zeiträumen und nie über Hunderte von Jahren. Junge Ökologen denken anders, aber die Generation, die im Moment am werken ist, hat sich dem Konzept Anthropozaen vollkommen unterworfen. Es ist für sie undenkbar, die Natur walten zu lassen – das geht gegen das Berufsethos.
Ich denke, die Natur ist kein armes Hascherl, das nur funktioniert, wenn der Mensch die Hand im Spiel hat. In deren Argumentation steckt doch schon das ganze Problem wie der moderne Mensch die Natur betrachtet. Insekten brauchen auch alte Baumstümpfe etc., um zu brüten. Insekten waren vor den Menschen auf der Erde, also bevor der Mensch umgestaltete, also kann mir doch keiner erzhählen, dass sie nur gedeihen, wenn wir die richtigen Bedingungen für sie schaffen.
Einig sind sich alle darüber, dass das schlimmste Problem die rapide Versiegelung der Böden ist. Österreich z.b. ist Weltmeister im zubetonieren, bald werden nur mehr die Alpen herausstehen, das ist dann, für alle verständlich, das Ende der Tierwelt.

GoBugsGo Products, Edgar Honetschläger

GoBugsGo Products, Edgar Honetschläger

SBV: Mit deinem Projekt gehen Mengen an rechtlichen Fragen einher, wie kannst du die lösen?
Edgar Honetschläger: Glücklicherweis ist es gelungen, die Rechtsanwälte von DLA PIPER pro bono an Bord zu holen. Das Initial war, dass sie sich des Problems bewusst sind und dass sie etwas beitragen wollen. DLA PIPER hat Büros in jeder großen Stadt dieser Welt. Indem GoBugsGo lokal wie international agieren wird, tauchen unendlich viel Fragen auf: Non Profit Organisation – was ist das genau? Wie konstituiert sich das? Was ist der rechtliche Rahmen innerhalb dessen man agieren kann? Dieser ist in jedem Land anders. Auch das Recht, ein Stück Land verwildern zu lassen, ist in jedem Land anders. Landerwerb durch ein Kollektiv ist keine einfache Sache, Haftungen etc. etc. Wir haben die Zusammenarbeit im Juni begonnen – und seitdem ist kaum eine Woche vergangen, in der ich nicht mehreren Advokaten gegenüber sass. Aber die sind schon große Buggies, mit Feuereifer dabei, denn sie sind überzeugt, dass GoBugsGo ein weltweiter Erfolg werden wird. Jeder, der in welcher Form auch immer mitmacht, wird ein BUGGY.
logo-bugs-oneSBV: Warum präsentierst du dein Projekt in Kunsträumen?
Edgar Honetschläger: Weil ich dort mein Primärpublikum habe. Von der Kunst muss ich ausgehen, um dann in weitere Kreise vorzudringen. GBG heißt, ein People’s Movement aufzubauen, das auf alle gesellschaftlichen Ebenen wirken soll. Es soll Begeisterung erzeugen und das tut es schon, denn der Austausch mit den verschiedensten Disziplinen (z.b. Advokaten, Biologen, Landschaftsökologen etc.) führt dazu, dass sich mehr und mehr Menschen für den Geist von GBG interessieren. Ich werde schon jetzt mit Insektenfilmen und Fotos aus aller Welt überschwemmt. Plötzlich interessiert man sich für die “grauslichen Viecher’ und entdeckt ihre Schönheit. Allein das ist schon ein großer Erfolg!