13. Abu Dhabi Art Fair & mehr

23. Nov. 2021 in Ausstellungen, Kunstmarkt, Kunstmesse

Hazem Harb, Between Earth and Heaven Boders are only in our Minds, II, 2021. Courtesy Abu Dhabi Art

Hazem Harb, Between Earth and Heaven Boders are only in our Minds, II, 2021. Courtesy Abu Dhabi Art

Herrliche 20 Grad abends, entspannte Stimmung bei der Eröffnung, eine überschaubare Besucherschar, einige vorsichtige Käufe – auf der 13. Abu Dhabi Art Fair scheint alles wie gewohnt. Aber etwas ist anders: Es fehlt die Blue Chip-Kunst. Gagosian, Hauser & Wirth, Thaddaeus Ropac – heuer nimmt keine dieser Galerien mehr an der Boutique-Messe in den Vereinigten Arabischen Emiraten teil. Statt Hochpreisigem aus dem Westen hat sich der Fokus auf Kunst aus der Region oder mit regionalem Bezug verschoben.

Hashel Al Lamki NEPTUNE. Beyond: Emerging Artists 2021 Courtesy of Abu Dhabi Art

Hashel Al Lamki, NEPTUNE. Beyond: Emerging Artists 2021. Courtesy of Abu Dhabi Art

Das beginnt mit der Sektion „Beyond: Emerging Artists“, für die das Kuratorenduo Sam Bardaouil und Till Fellrath in den Emiraten junge Kunst recherchierte. Sie entschieden sich für drei höchst unterschiedliche Werke: Christopher Joshua Bentons Projekt zur Geschichte der Dattel-Produktion, Malerei von Maitha Abdalla und die allover-Installation mit flauschigem Teppich und glitzernden Wandarbeiten von Hashel Al Lamki. Das setzt sich fort bei den regionalen Galerien der beiden Sektionen „Modern & Contemporary“ (26 Galerien) und „Special Projects“ (21 Galerien mit 1-3 Künstlern). Fast durchgehend dominieren hier Werke, die farbenfroh, meist ungegenständlich, manchmal mit floralen Motiven, gerne glitzernd sind. Nicht alles ist ungebrochen dekorativ, Manisha Gera Baswani in der indischen Gallery Space etwa bringt ihre Darstellung von Rosen mit harten Nadelstichen auf das Papier.

Christo, Abu Dhabi Mastaba, 1977. Courtesy Colnaghi Gallery

Christo, Abu Dhabi Mastaba, 1977. Courtesy Colnaghi Gallery

Und es reicht bis zu den Werken der wenigen international berühmten Künstlern: Die Londoner Colnaghi Gallery hat Christos Entwurfszeichnungen für sein Projekt „Abu Dhabi Mastaba“ mitgebracht. Der für seine großflächigen Verpackungen bekannte Künstler plante 1977 in der Liwa-Wüste in Abu Dhabi einen Mastaba genannten Grabbau aus 440.000 Ölfässern – in der Höhe von 150 Metern, höher als die Große Pyramide von Gizeh. Christo habe die Realisierung des Projekt auch nach seinem Tod explizit erlaubt, erklärt die Galerie. Ein Standort sei schon gefunden: Gharbia, 120 Kilometer südlich von Abu Dhabi.

Richard Atugonza, At Heart but far, 2021. Courtesy Abu Dhabi Art

Richard Atugonza, At Heart but far, 2021. Courtesy Abu Dhabi Art

Die Regionalisierung der 13. Abu Dhabi Art ist kein Einzelphänomen. Zwar dreht sich nach oder mit Corona das Messekarussell von Basel über London, Paris, Turin, Istanbul bis Köln wieder. Aber die große Euphorie ist einer Verunsicherung gewichen. Der Glaube an die Globalisierung des Handels wankt, die Kundschaft reist nur zögerlich, die Verkäufe sind verhalten. Auf der Art Basel verzeichneten manche Midsize-Galerien Umsatzrückgänge bis zu 40 Prozent. In dieser Situation suchen die Messen neue Strategien. Ziel ist es dabei, der Kundschaft entgegen zu kommen. Statt auf anderen Kontinenten neue Standorte zu erobern, werden regionale Märkte gestärkt – mit Zweitmessen wie die Art Brussels, die heuer erstmals einen Ableger in Antwerpen (16.-19.12.2021) plant. Oder mit lokaler Expansion wie die Artissima, die Anfang November einen Teil der Messe in Turiner Institutionen ausstellte. Die 13. Abu Dhabi Art Fair lockt sogar in die Wüste: Sieben eigens beauftragte Werken sind in der gut zwei Autostunden entfernten Wüstenstadt al-Ain und im Jebel Hafit Desert Park platziert: eine großartige Kulisse für die Kunst zwischen Sanddünen und Steinfelsen! Hier zeigt Hashel Al Lamki seine spiegelnden Formen, die auf die Einheit der arabischen Region anspielen. Die Londoner Frieze dagegen förderte eher die Verunsicherung, indem einige Messekojen an die Modebranche vergeben wurden, die ihre Präsentationen allzu kunstähnlich anlegten – gabe es zu wenige Galerie-Anmeldungen?

Aya Haidar, Dwelling on the past, 2021. Courtesy Abu Dhabi Art

Aya Haidar, Dwelling on the past, 2021. Courtesy Abu Dhabi Art

Aber nicht nur die Messen suchen neue Wege. Auch die Galerien betreten neue Pfade, um ihre Sichtbarkeit zu erhöhen und ihre Position zu stärken. So haben sich in Italien 63 Kunst- und Antiquitätenhändler auf Initiative von Gagosian Rom und Continua zu dem Projekt „Italics“ zusammengefunden. Neben regelmäßigen Neuigkeiten auf der Internetseite wird einmal im Jahr ein Kunstfestival veranstaltet. Den Auftakt machte im August „Panorama“ auf der süditalienischen Insel Procida mit 50 Werken im öffentlichen Raum.

Giulia Cenci, Pissing Figures. Installation view_PANORAMA Procida, un progetto di Italics a cura di Vincenzo de Bellis, ph. Barbara Rossi

Giulia Cenci, Pissing Figures. PANORAMA Procida, ein Projekt von Italics (Kurator: Vincenzo de Bellis), Foto: Barbara Rossi

Besonders eindrücklich: Giulia Cencis „Pissing Figures“-Skulptur, die man nur durch ein Guckloch hinter dem verschlossenen Tor eines ehemaligen Gefängnisses sehen konnte. Große Pläne hat auch die von rund 40 internationalen Galerien gegründete „International Galleries Alliance“ (I.G.A.), Ziel sind „kollegiale Dialoge“ plus einer Online-Verkaufsplattform, die anders als in Auktionshäusern kommissionsfrei ist. Mehr als 170 Mitglieder kann I.G.A. bereits verzeichnen. Bei einem jährlichen Mitgliedsbeitrag von 750 Euro hat diese Initiative das Zeug, zur ernsthaften Konkurrenz für bisherigen Verkaufsplattformen wie Artnet oder Artsy zu werden – ob solche Solidaritätsformen auch die Messelandschaft verändern werden?
veröffentlicht in: Die Presse, 21.11.2021

Abu Dhabi Art Fair, 17.-21.11.2021

13. Abu Dhabi Art Fair at Manarat Al Saadiyat. Foto SBV

13. Abu Dhabi Art Fair at Manarat Al Saadiyat. „Culture = Capital“, Alfredo Jaar. Foto SBV