15. Abu Dhabi Art 2023 im Zeichen arabischer Künstlerinnen

20. Dez. 2023 in Kunstmarkt

Parallel zur 15. Abu Dhabi Art findet Manar Abu Dhabi statt. Auf einer kleinen Bootstour von der Eastern Mangroves Promenade aus sind die leuchtenden Kunstwerke ab 17:30 mitten zwischen den Mangroven zu erleben. Courtesy DCT Abu Dhabi. Foto: Colin Robertson

So viel Künstlerinnen, so viel teilnehmende Galerien und so viel Besucher wie nie zuvor – die 15. Abu Dhabi Art 2023 feiert ein grandioses Jubiläum.

Zart rosa, mit betörendem Duft, ist die Damaszener Rosa eine ältesten bekannten Rosenarten. In Syrien gehört sie zum kulturellen Erbe des Landes. Aber seit 2011 herrschen in Syrien kriegsähnliche Zustände, was nicht nur das Land in Chaos und die Bevölkerung in Not stürzt, sondern auch diese Rosen bedroht: Durch die Verwüstungen verlieren sie ihren Lebensraum. Diesen traurigen Fakt greift die kurdische Künstlerin Fatma Bucak in ihrer „Damascus Rose“-Serie auf, wenn sie „I do smell war” unter die in der blutroten Fläche verblassende Rosenblüte schreibt.

Toleranz statt Kritik

Zu sehen ist das Werk am Stand der Istanbuler Galerie Pi Artworks auf der Abu Dhabi Art. Es ist eines der wenigen Werke mit politischem Hintergrund, die Unruhen der Region sind sonst auf der Messe am Arabischen Golf kaum zu spüren. Seit 2020 besteht das Abraham-Abkommen zwischen den Emiraten und Israel, statt Konflikten und Kritik soll Toleranz gegenüber dem Nachbarland vorherrschen – auch in dieser schweren Zeit. Zwar eröffnete im Nachbaremirat Dubai gerade im Galerienviertel Alserkal Avenue die großen Ausstellung „On this land“ mit 100 Werken palästinensischer Künstler:innen. Aber auf der Messe in Abu Dhabi sind solche Solidaritätszeichen kaum zu finden.

Beyond Emerging Artists/ Almaha Jaralla. Courtesy Abu Dhabi Art

Hochstimmung im Manaret Al Saadiyat

Stattdessen herrscht eine ungetrübte Hochstimmung in dem Kulturzentrum Manarat Al Saadiyat vor. Denn an dieser 15. Ausgabe der Abu Dhabi Art nimmt heuer die Rekordzahl von 92 Galerien aus 31 Ländern teil. Sie alle setzen einen klaren Fokus auf die Kunst der Region – und das zieht mehr Besucher an als je zuvor. Kaum ein wichtiger Sammler des Nahen Ostens fehlt, vor allem die regionalen Galerien verzeichneten ein enorm hohes Interesse. Denn die Messe fungiert hier auch als Ort, um sich über den Stand der aktuellen Kunst zu informieren – und der steht hier deutlich im Zeichen von Künstlerinnen. In der Beyond-Sektion für Emerging Artists thematisiert Almaha Jaralla die „Petro-Moderne“ mit Fotografien überalterter lokaler 1970er-Jahre-Architekturen, dazu beeindruckende, düstere, mit Öl gemalte Landschaften. Latifa Saeed dagegen konstruiert faszinierende Apparate zum Phänomen der „Dust Devils“, Mini-Tornados in der Wüste.

Beyond Emerging Artists/ Latifa Saeed. Courtesy Abu Dhabi Art

Ein Besuchermagnet ist die Sektion „Arabische Künstlerinnen“ mit zwölf Galerien, darunter auch die Wiener Galerie Krinzinger mit den malerisch überarbeiteten Fotografien von Radhika Khimji. Gleich verkauft waren einige von Aliaa Elgreadys aus Textilien gefertigten, farbenfrohen Wandobjekte (Gallery Misr, Kario) – wie überhaupt Tapisserie-ähnliche Werke auf der Messe ein erstaunliches Comeback feiern. Kosten die Wandbilder der 1968 in Ägypten geborenen Elgready ab 6000 Euro, so beginnen die Preise für die wie Tafelbilder angelegten Wandteppiche von Nino Kipshidze bei 14.000 Euro. Es sind traditionelle Genres, Stillleben, Landschaften, aber auf Samt genähte Textilien, was den Bildern eine dramatische Schwere gibt.

Sektion Nachhaltigkeit

Die 1958 geborene Künstlerin wird von der Baia Galerie vertreten, die mit drei weiteren Galerien zu dem Länderschwerpunkt Georgien gehört – und einen krassen Kontrast zu den oft bonbonfarbenen, verspielten Werken im Schwerpunkt Hong-Kong bildet. Brandneu ist die inhaltlich unklare Sektion „Nachhaltigkeit“. Auf Nachfrage blickt manche Galerie etwas ratlos. Andere wie Galerie Ko aus Nigeria erklären den Fokus über die verwendeten Materialien: Die Werke der 1970 in Nigeria geborenen Künstlerin Marcia Kure bestehen aus gefundenen, schwarz eingefärbten Leinwänden und „thematisieren Handelsrouten“, Verkaufspreis: 46.500 US-Dollars. Auch Adiskidan Ambaye am Stand von Addis Fine Art aus London arbeitet mit gefundenem Material, ihre abstrakten Holzskulpturen bestehen aus bis zu sechzig Einzelstücken. THK Gallery aus Cape Town zeigt Abdus Salaams Skulptur „Melting Point“ mit fünf scheinbar ineinander schmelzenden Steine. Die Bilder rundherum zeigen „Natur in abstrakten Formen“, seien kontemplativ – und waren bei Preisen unter 10.000 Euro schnell reserviert.

Manar Abu Dhabi

Rafael Lozano Hemmer, Parcours über Lulu-Island durch seine Installationen von „Translation Island“, 2023. Foto: Lance Gerber

Überhaupt konnten schon am ersten Tag viele Verkäufe gemeldet werden. Ein Projektentwickler aus den Emiraten etwa kaufte großzügig junge Talente für sein „Hausmuseum“ ein, wie er beim Eröffnungsdinner an langen Tafeln im Wüstensand der frisch aufgeschütteten Lulu-Insel stolz erzählte – ´lulu´ heißt ´Perle´. Die Tische standen am Ende eines faszinierenden, interaktiven Kunstparcours von Rafael Lozano-Hemmer mit acht Stationen, darunter die im Sand tanzenden Buchstaben eines Gedichts oder die riesige Leinwand, die unsere Bewegungen in Daniel Richter-ähnliche Bilder verwandelt. Sein „Translation Island“ gehört zum Projekt Manar Abu Dhabi: Bis zum 30. Jänner sind in Abu Dhabi an der Uferstraße, im Wasser und auf Inseln 22 Lichtwerke installiert, die die Kunst in die Stadt tragen. ´Manar´ heißt ´erleuchtet´, das Projekt soll jährlich weitergeführt werden. Und ergänzt perfekt die bestehenden Kunst-Veranstaltungen von der Messe bis zu den Museen.