Laut der aktuellen Studie der Privatbank UBS pünktlich zur 50. Art Basel wuchs der weltweite Kunstmarkt im letzten Jahr um 6 % auf 67,4 Milliarden Dollar. Treibend dafür sind kunsthistorisch abgesicherte Werke, bei denen Preise von wenigen Millionen schon als Schnäppchen gelten. Der beste Markt für solche Ware ist die Art Basel. An der heurigen 50. Art Basel nahmen 290 Galerien aus 34 Ländern teil, 232 davon in der Hauptsektion, darunter aus Österreich die Galerien Martin Janda, Krinzinger, Nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder, Thaddaeus Ropac und mit einem einzelnen Projekt Croy Nielsen. Erstmals führte die Art Basel ein neues Preismodell ein, um die kleineren Galerien finanziell zu entlasten: Kostete ein Quadratmeter letztes Jahr für Midsize-Galerien noch 830 Schweizer Franken, sind es heuer 760 CHF bei Kojen mit 25, 905 CHF bei 124 Quadratmeter. Wie groß die Schere zwischen den Mega- und Midsize-Galerien ist, zeigt auch ein Extra-Angebot der Art Basel: 12 private Schauräume können die Galerien mieten. Zwei Stunden kosten 3000 Dollar, Gagosian mietete einen Raum für die ganze Woche.
Da wundert es nicht, dass sich viele Galerien trotz der zunächst hoch erscheinenden Kosten vor allem in dem unteren Geschoß die großen Schauflächen leisten, wo die Stars der Klassischen Moderne auf die Kunstgötter unserer Zeit treffen. Auf den Punkt brachte es die Mega-Galerie Gagosian, die auf der 50. Art Basel gleich neben das rosaglänzende Riesenherz von Jeff Koons für stolze 14.5 Millionen Dollar einen Siebdruck mit Dollarzeichen von Andy Warhol platzierte – im Zeichen des Geldes sind alle vereint. 93.000 Besucher, darunter Sammler aus 80 Ländern, stürmten heuer die Messehallen – und die Stimmung war großartig, denn zumindest in Basel boomte der Markt wie schon lange nicht mehr.
Eindeutiger Trend dieses Jahr auf der 50. Art Basel ist die Freude an Tafelbildern, und zwar zunehmend wieder eine gegenständliche Malerei. Gerade neubeginnende Sammlern bevorzugen diesen Stil dank des direkten Abgleichs mit der ihnen bekannten Wirklichkeit – damit ist zumindest die Frage des Dargestellten geklärt. In der oberen Messehalle, in der stark auf eine Verjüngung der Galerien und Künstler gesetzt wird, kann das allerdings durchaus zu Lasten der Qualität ausfallen. Egal, ob pure Deko-Ware oder hochwertige Klassiker – schon in den ersten Stunden meldeten nahezu alle Galerien solide Verkäufe.
So konnte die Baseler Galerie von Bartha Sophie Taeuber-Arps „Negatif/Positif“ aus den 1920er Jahren für 1 Millionen Schweizer Franken an ein Museum verkaufen, Frank Stellas „Grodno“ von 1973 ging bei der New Yorker Marianne Boesky Gallery für 1.25 Millionen Dollar an einen Sammler und Kukje Gallery aus Seoul meldete einen neuen Rekordpreis für den südkoreanischen Maler Kim Whanky von über 10 Millionen US-Dollar für eine seiner blauen Abstraktionen von 1973. Von „ihrer erfolgreichsten Messe aller Zeiten“ sprach die Galerie Hauser & Wirth, die schon am ersten Tag mehr als 40 Werke verkaufte.
Solche Abschlüsse kommen nicht spontan zustande, sondern sind das Ergebnis intensiver Vorarbeiten. Eine noch recht neue Strategie dafür sind museale Ausstellungen, wie sie Hauser & Wirth in ihrem Züricher Stammhaus pünktlich zum Auftakt des Züricher Gallery Weekends drei Tage vor Beginn der Art Basel eröffnete: Erstmals sind Werke von Louise Bourgeois und Pablo Picasso in einem engen Dialog zusammen ausgestellt. Sie kannten sich nicht, sie trafen sich nie, aber die Französin erwähnte Picasso immer wieder in ihren Tagebüchern. Vor allem aber verbindet beide Werke ein zentrales Thema: das Paar, Mann und Frau, Sexualität. Kuratorin Marie-Laure Bernadac betitelt die Schau daher auch „Anatomies of Desire“ (bis 14. September) und arbeitet anhand von mehr als 90 Zeichnungen, Gemälden und Skulpturen in einer großartigen Gegenüberstellung die berührende Nähe bei gleichzeitiger krasser Distanz zwischen den beiden Meistern heraus: Wollust versus Wunden, könnte man es zusammenfassen. So trifft hier Picassos Spätwerk „Der Kuss“ aus Bourgeois´ Skulptur „End of Softness“, die man in dieser Kombination unweigerlich als ein erstarrtes, erotisches Dahinschmelzen interpretiert.
Berührend ist die Nähe von Bourgeois´ schwarzen, an eine Vergewaltigung erinnernden Skulpturen „Couple“ und Picassos harmlosen Frauenporträts aus den 1920er Jahren, die hier jäh ihre Harmlosigkeit einbüßen. Nur zehn Werke dieser absolut museumsreifen Schau stehen zum Verkauf – es sei denn, jemand mache den fast durchwegs privaten Leihgebern ein verlockendes Angebot, erklärte die Galerie-Mitarbeiterin. Auch wenn Hauser & Wirth selbst kein Werk von Bourgeois auf ihrem Messestand auf der 50. Art Basel anboten, war die 2010 im Alter von 99 Jahren verstorbene Künstlerin auf der Art Basel omnipräsent, am Stand der New Yorker Galerie Carolina Nitsch etwa mit wunderschönen Zeichnungen ab 8500,- Dollar.
Aber die Art Basel ist nicht nur ein Eldorado für Käufer, sondern auch für Kuratoren. Höhepunkt dafür ist die Sektion Unlimited mit 75 Werken. Hier stand gleich am Eingang ein weißer Kubus, der einen gewaltigen Kontrast zu Jeff Koons bildet. Lange Menschenschlangen warten darauf, für genau 40 Sekunden den Raum betreten zu dürfen. Vierzig Sekunden Beklemmung: Wir stehen in einer Gummizelle mit dem Bild der saudi-arabischen Flagge, einem Bett und Seziertisch. Auf dem blutroten Stoff liegen keine Messer, sondern Stempel. Es ist Abdulnasser Gharems neuestes Werk „Safe“. Vor gut zehn Jahren begann seine Karriere als Künstler. Anfangs diente er noch als Major in der saudischen Armee, heute arbeitet er nur noch in seinem Atelier in Riad. Denn mittlerweile ist er einer der teuersten Künstler im Nahen Osten, die Preise für seine aus Stempeln zusammengesetzten Bilder liegen im sechsstelligen Bereich. Sein neuestes Werk auf der Art Basel ist ein Andenken an den Journalisten Jamal Khashoggi, der von einem saudischen Killerkommando ermordet und zerstückelt wurde. Khashoggi hatte die Botschaft seines Landes in Istanbul am 2. Oktober 2018 betreten und kam nie wieder heraus. Angeboten von der Galerie Brigitte Schenk in Kooperation mit Nagel Draxler kostet der Raum 600.000,- Euro. Schenk betont, dass Gharem hier niemanden anklagen will, sondern eine Atmosphäre der Bedrohung und Unsicherheit erzeugt.
Laut der eingangs zitierten, von der Art Basel in Auftrag gegebenen Studie wird jeder dritte Dollar des Kunstmarkts auf Messen verdient. Da wundert es nicht, dass immer mehr Galerien daran mitnaschen wollen – was zu einem Boom von Parallelmessen auch während der 50. Art Basel führt. Neben den bereits Etablierten wie Liste (mit 20.000 Besucher heuer) oder Volta kam heuer ein Neuzugang mit einem recht umständlichen Namen dazu: Basel in June mit 14 Galerien, darunter auch Meyer-Kainer aus Wien, gastierte in einem zwar nur wenige Gehminuten von der Art Basel entfernten, aber tief in der Erde eingegrabenen, 800 Quadratmeter großen Bunker. Freymond-Guth Fine Arts hatten sich die Räume zur Galerie umbauen lassen und nach gut einem Jahr wieder aufgegeben. Am Eröffnungstag der Art Basel war die Besuchermenge hier überschaubar. Wie erfolgreich dieser Neuzugang verlaufen ist, werden wir wohl nächstes Jahr sehen. Dann wird die Art Basel fünfzig Jahre alt, und es wird sich zeigen, wie viele Messen und Galerien noch in dem Goldrausch des Kunstmarkts mitziehen wollen – oder können?