9. Chart Art Fair 2021, Kopenhagen

30. Aug. 2021 in Kunstmarkt

Gallery Kunstplass, Vanna Bowle. CHART 2021. Photo by Niklas Vindelev

Gallery Kunstplass, Vanna Bowle. 9. CHART 2021. Photo by Niklas Vindelev

Letztes Jahr fand die Kopenhagener Chart Art Fair coronabedingt auf mehrere nordische Städte verteilt statt, manches online, anderes in den Galerien nur mit lokalem Publikum. Heuer ist alles anders. Als gäbe es keine Pandemie mehr, stürmen kunsthungrige Gäste selbst aus der USA die 9. Chart Art Fair. Sicherheitsabstand? Masken? Impfpasskontrolle? Nicht nötig, in Dänemark geht man den schwedischen Weg. In den Straßen tümmeln sich die Touristen, die vielen Straßenlokale sind bestens besucht und auch auf der Chart drängeln sich die Besucher. Austragungsort der Messe ist die Kunsthal Charlottenborg, ein ehemaliges Schloss mitten im Zentrum der Stadt. Das Museum bietet Tageslicht, hohe Wände und perfektes Licht, aber auch limitierten Platz – weswegen jedes Jahr nur rund 30 Galerien teilnehmen können. Bedingung für die begehrten, exklusive Einladungen: Es muss eine nordische Galerie sein, oder wie bei der in Wien stationierten Galerie Croy Nielsen nordische Wurzeln plus nordische Kunst im Programm sein. Heuer setzt Messeleiterin Nanna Hjortenberg auf junge Galerien, Pula aus Island etwa ist 2020 gegründet worden – und verkaufte trotz Corona bestens, wie die Galeristin erzählt. Allerdings gab es in Island auch nie einen Lockdown. Neun Galerien sind erstmals dabei, je drei teilen sich in einer unübersichtlichen Dreiecksstruktur ohne Trennwände kleine Räume – was die teilweise sehr fragilen Werke trotz Eröffnungsandrang schadensfrei überlebten, sogar die riesige, an einen Hirschkäfer erinnernde Skulptur, die in dem Eck der dänischen Galerie Kunstplass von der Decke hängt. Bemalt mit Graphit auf Papier, wirkt Vanna Bowles´ fragiles Werk mächtig und bedrohlich – ein Gleichnis für den Zustand der Natur? So weit will die Künstlerin nicht gehen, aber Natur ist definitiv ihr Thema.

Anna-Karin Rasmusson, Cecilia Hillström Gallery. 9. CHART Art Fair 2021

Anna-Karin Rasmusson, Cecilia Hillström Gallery. 9. CHART Art Fair 2021

Nebenan irritieren die Videos von Anna-Karin Rasmusson (Cecilia Hillström Gallery): Verkleidet mal als Zwerg, mal als Teletubbi-ähnliches Wesen, stopft die Künstlerin sisiphusartig Zeug in kleine Räume oder zerschlägt alles mit einem Hammer. Es sind zwar nur aus Pappe nachgebaute Waschmaschinen und ähnliche Hausgegenstände, aber die Stimmung ist tief dystopisch. Sie gäbe in ihren Videos ihren Gefühlen Ausdruck, erklärt sie – was auf viele Werke dieser Messe zutrifft: düster, morbid, manches auch melancholisch wie Rose Ekens Keramik „Sterbende Sonnenblumen“ (V1 Gallery), oder unheimlich wie der riesige, giftgrüne Flusskrebs von Kristoffer Orum (Bonamatic). Der bewegte sich beim Scannen für den anschließenden 3-D-Druck, wodurch die Scheren merkwürdig vervielfacht sind.

Victor Miklos Andersen, Futura Dancia Set, 2021. Aluminium. Etage Projects, 9. Chart Art Fair 2021

Victor Miklos Andersen, Futura Dancia Set, 2021. Aluminium. Etage Projects, 9. Chart Art Fair 2021

Dann der krasse Kontrast: Die Design-Galerie Etage Projects, bekannt für exquisites skandinavisches Design der 1960er Jahre, zeigt schreiend bunte, skulpturartige Objekte, Teller aus Aluminium, ein Weinkühler aus Plastik, schräge Sessel und sogar Bilder aus Gummi. Sie wollten kritisches Design zeigen, erklären sie, die Teller konterkarieren ein elitäres dänisches Porzellan. Auf die Frage, ob mit solchen Deko-Objekten auf einer Kunstmesse nicht allzu leicht Missverständnisse ausgelöst werden, antwortet die Messedirektorin lachend: „Wir wollen überraschen!“ Ein Motto, dass diese 9. Chart Art Fair tatsächlich einlöst. Und einmal mehr beweist, wie spannend der programmatische Schwerpunkt auf nordische Kunst ist. Zwar lässt sich keineswegs eine speziell regionale, nordische Ästhetik oder Tendenzen feststellen, aber einen hervorragenden Überblick erhält man hier allemal – was am Eröffnungsabend zu auffallend vielen Käufen führte. Der nordische Markt scheint zu boomen, wovon auch die rund 70 internationalen Galerien der Parallelmesse Enter Art Fair in einer irgendwo im Nirgendwo gelegenen, ehemaligen Fabrikhalle zu profitieren hoffen – wenngleich der Andrang dort deutlich geringer war. Im Winter wird erstmals mit der Schweizer Von Bartha Galerie eine internationale Galerie eine Filiale in Kopenhagen eröffnen – wird Kopenhagen zum Zentrum eruopäischer Kunst im Norden?
CHART Art Fair, 26.-29.8.2021
veröffentlicht in: Die Presse, 29.8.2021