Kronleuchter von elf internationalen Künstlern und Kreativen in Venedig: eine ganz besondere Beleuchtung am Markusplatz.
Am Markusplatz in Venedig ist es im Dezember wunderbar weihnachtlich. Vorn am wasserseitigen Eingang glitzern Lichter in einem gigantischen Christbaum. Hinten in den Bögen des Procuratie Vecchie genannten Gebäudes an der Nordseite verzaubert eine Reihe mysteriöser Kronleuchter die langen Arkaden. „Murano Illumina il Mondo“ nennt sich das Projekt, das heuer zum zweiten Mal die heimische Glaskunst in den öffentlichen Raum bringt.
Es ist eine Verlängerung der im September stattfindenden „Glass Week“. Für die dunkle Jahreszeit wurden elf Künstler, Designer und Architekten eingeladen, die für Venedig so typischen Luster aus Glas zusammen mit den Meistern aus Murano neu zu interpretieren. Entstanden sind elf Meisterwerke, die unterschiedlich kaum sein können.
Meisterwerke der Murano-Glaskunst
Manche Objekte brauchten Monate intensiver Handarbeit wie die von oben beleuchtete, Fischernetz-artige Formation aus transparenten Glaselementen von Marina und Susanna Sent. Kimiko Yoshidas wählte die Form eines klassischen Kronleuchters, der über und über bestückt ist mit rosa-roten, filigranen, von der Kirschblüte inspirieren Details – kongenial umgesetzt in enger Kooperation mit Altmeister Gianni Seguso.
US- Glaskünstlerin Deborah Czeresko ersetzt die Lusterarme durch farbenfrohe Schlangen. Im strengen Kontrast dazu setzt der japanische Architekt Kengo Kuma auf ein modulares System in einer waagerechten Formation. Es ist eine modulare Verzahnung rechteckiger Formen. Von innen erhellt mit einer langen Glasröhre, leuchtet das Objekt dank des Studios Salviati in einem atemberaubend schönen, blauen Glas – solche intensiven Farben gehören zu den Meisterleistungen der Murano-Glaskunst.
Verspielte Assoziationen für moderne Kronleuchter
Ganz anders interpretiert es der US-Konzeptkünstler Joseph Kosuth. Er entschied sich für verspiegeltes Glas, das die Silhouette eines dieser berühmten, farbenfrohen venezianischen Rezzonico-Lusters zitiert – je nach Blickwinkel scheint Kosuths Leuchter dank der Reflexionen fast im Umraum der Arkaden zu verschwinden.
Gleich vor dem berühmten Grancaffè Quadri hängt Philippe Starcks mächtiges Objekt mit tiefschwarzen, floralen Elementen, das er zusammen mit dem Glas-Designer Aristide Najean entwickelte – die perfekte Fortsetzung seiner Werke im Innenraum. Denn 2018 begannen die Alajmo-Brüder gemeinsam mit Starck und venezianischen Handwerkern, das 1638 eröffnete Kaffeehaus zu renovieren.
Der österreichische Künstler Hans Weigand arbeitete für seine zwei gläsernen Wellenbrecher mit Maestro Nicola Causin vom experimentierfreudigen Berengo Studio zusammen. Die Zerbrechlichkeit des Glases steht im Kontrast zur massiven Struktur der normalerweise aus Zement geformten Tetrapoden, die Küsten schützen sollen. All diese einzigartigen Werke leuchten hier im Herzen des Tourismus noch bis Anfang März wie eine Kampfansage an die billigen, chinesischen Produktionen, die Venedig fluten – und eine faszinierende, neue Dimension der Weihnachtsbeleuchtung vorgeschlagen.
veröffentlicht in: Die Presse, 15.12.2024
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