
WATER PRESSURE. Gestaltung für die Zukunft. MAK Ausstellungsansicht, 2025. Bildmitte: Julian Charrière, And Beneath It All Flows Liquid Fire, 2019
rechts: EOOS, SafeTap, seit 2024. MAK Ausstellungshalle OG. © kunst-dokumentation.com/MAK
Nichts weniger als „water pressure“ steht im MAK in Wien zur Diskussion: unser Umgang mit Wasser, das schwer unter Druck steht.
1.74 Prozent des weltweiten Wassers sind in Gletschern, 1.69 Prozent im Grundwasser eingeschlossen – der Rest ist in Ozeanen gespeichert. Nur 3 Prozent des gesamten Wassers auf der Erde sind Süßwasser. Aber nur 1 Prozent ist sauberes, in flüssiger Form jederzeit verfügbares Trinkwasser. Rund zwei Milliarden, also gut ein Viertel aller Menschen, haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Aber nicht nur das klingt bedrohlich. Die Alpen, immerhin der Wasserspeicher Europas, drohen immer trockener zu werden. In anderen Gegenden nehmen die Überschwemmung drastisch zu. „Wasser ist eine globale Frage, aber mit super lokalen Themen“, erklärt MAK-Direktorin Lilli Hollein. Diesem weitreichenden Thema widmet das Museum für Angewandte Kunst jetzt eine große Ausstellung unter dem sperrigen Titel „Water Pressure“.

WATER PRESSURE. Gestaltung für die Zukunft. MAK Ausstellungsansicht, 2025. MAK Ausstellungshalle OG. © kunst-dokumentation.com/MAK
Water Pressure überall
Mag ´Wasserdruck´ wie eine banale technische Einheit klingen, entfaltet die Schau tatsächlich eine intensive, informationsreiche Geschichte zwischen alarmierenden Fakten und innovativen Lösungen. Denn mit weltweitem Bevölkerungswachstum und Industrialisierung steigt unser Wasserbedarf immens. Die größten Verbraucher sind heute Industrie und Landwirtschaft. Auch jede Suche im Internet trägt zum Wasserverbrauch bei. Die vorhandene Wassermenge aber bleibt ident, Wasser wächst nicht nach. Bedenkt man, dass allein in den USA jeden einzelnen Tag 7.800 Liter Wasser konsumiert werden, versteht man die Annahme der Wissenschaft: Wasser wird die zentrale Herausforderung der Zukunft. Gesprochen wird schon von einer ´Wasserkrise´.
Österreichs Wasserfußabdruck
Diese alarmierende Situation vermittelt das MAK in fünf plakativen Kapitel wie „Wassergeschichten“ mit einer Zeitleiste seit antiken Zivilisationen bis in die nahe Zukunft oder „Durstige Städte“ mit Beiträgen aus Design, Kunst und Wissenschaft. Es ist ein Parcours, der perfekt geeignet ist als Einführung, aber auch Sensibilisierung. Ein Muss für absolut jede Schulklasse! Entwickelt vom Museum für Kunst und Gewerbe (MG&K) in Hamburg, ist die Schau in Wien auch mit lokalen Daten zu Österreichs Wasserfußabdruck versehen: Von den geschätzten 4.738 Liter pro Kopf und Tag gehen 34 Prouzent in die Ernährung mit pflanzlichen, 40 Prozent mit tierischen Produkten, 13 Prozent in Gewerbe- und Instustrieprodukte. Nur 3 Prozent verbrauchen die Haushalte.
Wandel der bürgerlichen Hygiene

WATER PRESSURE. Gestaltung für die Zukunft. MAK Ausstellungsansicht, 2025. MAK Ausstellungshalle OG. © kunst-dokumentation.com/MAK
Vor allem aber konnte das MAK die Schau mit großartigen Objekten aus der Sammlung ergänzen. So erinnern historische Gefäße für die Taufe oder für Weihwasser an die spirituelle Dimension des Elements – lange galt Wasser als kostbares Element, dass geschützt und verehrt wurde. Das änderte sich radikal mit der Industrialisierung, auch mit Folgen für den Alltag. Der herrliche Jugendstil-Wasserbrunnen aus Zinn für den Hausgebrauch und die Wandbecken erinnern an die gewandelte bürgerliche Hygiene im 20. Jahrhundert. Das unser Körper nicht nur mit Wasser gereinigt wird, sondern auch daraus besteht, demonstriert der lange Tisch voller Trinkgläsern von Studio Makkind & Bey. Das gesamte Fassungsvolumen der Gläser ergibt 70 Liter – die Wassermenge, die sich im Körper von Jurgen Bey befindet. Einzelne Gläser sind den Organen zugeordnet, Gehirn und Herzen bestehen zu rund 73 Prozent aus Wasser.
Konkrete Lösungen zeigt die Toiletten-Station, die anschaulich unsere unsinnige Verschwendung von Trinkwasser zum Spülen zeigt. Das ist mit alternativen Design bis zu Brauchwasser leicht zu lösen – immerhin werden 25 Prozent des täglichen Wasserverbrauchs im Durchschnitt für das WC verbraucht. 19 Prozent für die Dusche, 3 Prozent für die Wanne. Mit „City of 1000 Tanks“ wird das Projekt von OOZE Architects & Urbanists vorgestellt, die mithilfe wassersammelnder Zisternen den temporären Wassermangel der indischen Millionenstadt Chennai lösen wollen. Dank des Projekts „Wolkenfischen“ werden 1.300 Menschen in einem marokkanischen Dorf täglich mit mindestens 12 Titel Trink- und Bewässerungswasser versorgt. Denn dünne, doppellagige Netzen fangen den Bergnebel ein und leiten die Tropfen ins Dorf.
Einige der heutigen Lösungen basieren auf jahrhundertealtem Wissen wie die Zisternen, andere appellieren mit Unterwasserkonstruktionen oder Renaturierungen an die dringend notwendige Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Mensch und Natur – und vor allem an einen respektvolle Umgang mit Wasser. Und dringliche Anliegen: Sollte das Wasser nicht als Entität mit juristischen Rechten angesehen werden, wie es der Whanganui Fluß in Neuseeland bereits ist?
veröffentlicht in: Die Presse, 21.5.2025
Water Pressure, MAK Wien, 21.5.-7.9.2025