Yuki Okumura in der Wiener Secession: Basteleien von vorgestern

29. Mrz. 2025 in Ausstellungen

Yuki Okumura. Exhibition, Secession Wien, Vienna, 8.3.–18.5.2025. Foto: Iris Ranzinger

Yuki Okumura versucht sich in seiner ersten Personale in Österreich in der Wiener Secession an einem längst abgegriffenen Konzept: Institutional Critic. Kann das gutgehen? Nein.

Kaum etwas wirbelte unseren Begriff von Kunst derartig durcheinander wie die Institutionskritik. Manche sehen den Beginn dieses künstlerischen Konzepts schon in den 1960ern, zur vollen Blüte kam es in den späten 1980ern und 1990ern. Jetzt feiert dieses Konzept im Hauptraum der Wiener Secession eine mehr als fragwürdige Wiederkehr.

Institutionskritik

Kurz zur Geschichte: Im 20. Jahrhundert entschieden Künstler, nicht nur Werke auszustellen, sondern diese zu nutzen, um die Bedingungen der Präsentation zu reflektieren. So zeigte Hans Haacke, der gerade mit in einer großen Personale im Belvedere 21 zu sehen ist, 1974 in seinem Werk die enge Verflechtung von Kunst und Kapital: Er rekonstruierte die Wertbildung von Kunst anhand der wechselnden Besitzer eines Gemäldes von Manet. Andrea Fraser drehte 1989 eine typische Museumsführung um, in dem sie nicht zu Werken, sondern zu Feuerlöschern und Luftbefeuchtern und weiter zu Umkleideräumen und Toiletten der Mitarbeiter führte. Sie wollte zeigen, dass Museen keine isolierten white cube, sondern Teil des großen Ganzen sind. Andere recherchierten die Architektur des Hauses und Umgebung wie Gerwald Rockenschaub vor Jahrzehnten in der Secession.

Yuki Okumuras „Großer Weißer Spielplatz“

All diese Aktionen waren wichtig auf dem Weg, den tradierten Kunstbegriff aufzubrechen. Um die vielfältigen Verbindungen zwischen Kunst und Welt zu zeigen, und damit die Idee einer autonomen Kunst ad acta zu legen. Das gelang derartig konsequent, dass heute Praktiken wie künstlerische Forschung und performative Prozesse fixer Bestandteil eines jeden Ausstellungsprogramms sind. Warum also zeigt die Wiener Secession jetzt, Jahrzehnte später, eine Miniversion jener frühen Konzepte? „Big White Playground“ nennt Yuki Okumura seine Ausstellung im Hauptraum.

Yuki Okumura. Exhibition, Secession Wien, Vienna, 8.3.–18.5.2025. Foto: Iris Ranzinger

Hauptraum soll nicht Hauptraum heißen

Der 1978 in Japan geborene Künstler begann seine Vorbereitung mit einer kuriosen Bitte an den Vorstand der Künstlervereinigung: Alle mögen doch bitte diskutieren, ob der Begriff ´Hauptraum´ nicht geändert werden könne. Wegen der darin enthaltenen Hierarchie. Sicherlich, die Unterteilung in Haupt- und ergo Nebenräume ist problematisch, wenn etwa die in Wien weitaus bekanntere Aglaia Konrad zeitgleich in der Galerie im Untergeschoß ausstellt. Aber architektonisch ist es nun mal der größte Raum. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn man den Raum Hugo taufen würde. In dem Video „Wilhelm als Hauptraum“ verkörpert ein früherer Techniker den Raum – was an das grandiose Buch „Rot ist mein Name“ erinnert. Darin lässt der türkische Autor Orphan Pamuk jede einzelne Farbe einer Miniaturmalerei vom Kampf zwischen der traditionellen östlichen Technik und der westlichen Zentralperspektive erzählen. Davon weit entfernt, ist Okumuras Version eine zähe Angelegenheit.

Yuki Okumuras Bastel-Workshop

Yuki Okumura. Exhibition, Secession Wien, Vienna, 8.3.–18.5.2025. Foto: Iris Ranzinger

Denn seine Überlegungen führten zu einer „Gruppenausstellung“. Die Exponate sind Kreationen der Secessions-Mitarbeiter, gebastelt in vorausgegangenen workshops mit Okumura. Sie wische jahrelang die Fingerabdrücke von den Scheiben, wird da eine Mitarbeiterin des Reinigungsdienstes zitiert. Jetzt durfte sie ihre Nasenabdrücke auf der Tür im Hauptraum hinterlassen. Andere Ergebnisse lassen vermuten, wie sich Amateure gerne Kunst vorstellen: wild zusammengewürfelte Fundmaterialien.

Auf internationalen Biennalen außerhalb unseres geopolitischen Westen dient Kunst immer häufiger als Werkzeug, um Gemeinschaft(en) zu bilden, zu fördern, zu positionieren; als Werkzeug zur Geschichtsaufarbeitung und Wissensvermittlung. Das ist gerade eindrücklich auf der 16. Sharjah Biennale in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu sehen. Kunst wird dort zum Mittel für einen Perspektivenwechsel – etwas, was in der Secession wohl intendiert ist, aber gründlich misslingt. Warum sollen wir uns Nasenabdrücke und Materialbasteleien anschauen, wenn nicht die Schöpfer dieser Dinge konzeptuelle Konzepte damit verbinden, sondern nur der Workshopleiter? Da hätte auch ein Video des Prozesses gereicht, da Ziel und Thema ja nicht die Objekte sind, sondern der außerkünstlerische Kontext des Raumes. Vielleicht hätte der Vorstand Okumuras Wunsch der Umbenennung folgen und die Bezeichnung „Versuchsraum“ verwenden sollen. Dann wären Besucher vorgewarnt.

veröffentlicht in: Die Presse, 22.3.2025