Zwei Tage vor der Eröffnung der 13. Art Dubai zog ein gewaltiges Gewitter über Dubai. Mehrere Stunden lang durfte kein Flugzeug landen. Am nächsten Morgen wehte dann ein so heftiger Wind, dass die eigentlich für den Außenraum geplanten Reden in die Messehallen verlegt werden mussten. Damit begann die Kunstmesse am Golf ähnlich turbulent wie deren letzten Monate vergangen waren. Denn mit dem Skandal um die Private Equite-Gesellschaft Abraaj Group verlor die Art Dubai letztes Jahr ihren generösen Hauptsponsor. Dem Gründer Arif Naqvi war Veruntreuung von Investorengeldern vorgeworfen worden. In Folge ließ Naqvi den Großteil seiner Kunstsammlung zu Niedrigstpreisen versteigern, was zu großer Verunsicherung im Kunstmarkt führte. Zudem trat nach nur zwei Jahren die Messedirektorin Myrna Ayad zurück. Am Ende allerdings erwies sich dieser Umbruch als Chance, die Pablo del Val als künstlerischer Direktor und Chloe Vaitsou als Internationale Direktorin für eine Neuausrichtung der 13. Art Dubai mit neuen Sektionen, mehr Kuratoren, mehr eingeladene Gäste und einem brandneuen Konzept nutzen. Alles gut also?
2007 gegründet, gilt die Art Dubai als wichtigstes Handelszentrum für Kunst im Nahen Osten. Kauften Anfangs nur westliche Klienten, kamen bald immer mehr junge Sammler aus dem Libanon, Iran, Kuwait, Saudi-Arabien, Indien bis zu den Philippinen. Heute ist die Art Dubai ein faszinierender Treffpunkt für die MESA-Region (Middle East, South Asia). So waren zur Eröffnung rund 500 Kuratoren, Museumsgruppen und VIP-Gäste aus mehr Ländern denn je zuvor eingeladen worden, darunter auffallend viele aus Afrika und erstmals auch Lateinamerika. Denn Del Val hat eine Vision: „Es gibt ein Leben jenseits des Westens“. Er will die Messe als Zentrum des ´Globalen Süden´ platzieren. Der Begriff wird seit den 1980er Jahren für Entwicklungs- und Schwellenländer benutzt, gilt aber auch als Sammelbegriff für jene Länder, die von Kolonialisierung und Ausbeutung geprägt sind.
92 Galerien aus 42 Nationen nehmen an der 13. Art Dubai teil, darunter im Länderschwerpunkt 13 aus Südamerika. „Wir wollen nicht nur Länderschwerpunkte auf der Messe, sondern einen kulturellen Austausch anregen. Dafür laden Kuratoren einzelne Künstler für eine Residency in den Emiraten ein“, erklärt del Val dazu. So präsentieren die Galerien jetzt in ihren winzigen Kojen die hier entstandenen Werke – was nebenbei die Transportkosten einspart. Auch in der neuen Sektion „Bawwaba“ (arabisch für Ausflug) scheinen die Kosten für die zehn Galerien in ihren kleinen Ständen gezielt niedrig gehalten zu werden – was schade ist, da man gerne mehr über die Kunst aus den Philippinen, Kuwait und Kenya lernen würde. Überraschenderweise finden sich hier Galerien aus Paris, New York und Lissabon – gehören die auch zum Globalen Süden? Und widerspricht der Eindruck von Sparsamkeit nicht dem glamourösen Auftritt der Messe in dem Luxushotel Madinat Jumeirah? Zum Unterhaltungsprogramm der eingeladenen Gäste gehören Besuche in Privatsammlungen. Ein Ausflug führte in den Index-Tower gleich beim Burj Khalifa, wo zwei Appartments im 75. und 77. Stockwerk geöffnet wurden – ob diese Sammler sich für die Kleinformate der neuen Sektionen interessieren?
Sicherlich, es gibt auch Hochkarätiges auf der Messe, eine Spiegelarbeit von Astrid Klein bei Sprüth/Magers, Marina Abramovic bei Krinzinger, Günther Uecker bei Walter Storms. Aber immer wieder beschleicht einen das Gefühl, dass die Welt auf dieser 13. Ausgabe der Art Dubai nicht mehr so heil ist. Zu viele Galerien zeigen zu viel Harmlos-Hübsches. Das mag auf einer Art Basel Miami angehen, in Dubai ist es ein Rückschritt. Denn bisher lag der große Reiz der Messe darin, dass hier die Luxuswelt und die tiefgreifenden Konflikte dieser Region unvermittelt aufeinandertreffen. Und die großen Themen der Region in den Blick gerückt werden. Immer wieder konnte man starke Werke entdecken wie jetzt die „War Game“-Serie von Rana Samara am Stand der Zawyeh Gallery aus Ramallah.
Ein Bild trägt den harmlosen Titel „Super Mario“ (im Bild in der Mitte): Als Samara ein kleines Mädchen war, stürmten israelische Soldaten ihr Haus. Innerhalb von Sekunden musste die Familie ihr Heim verlassen. Aber Rana spielte gerade das Computerspiel Super Mario. Sie wollte es auf keinen Fall unterbrechen, denn dann hätte sie ein Leben verloren. Ähnlich thematisiert sie auch in ihren anderen Bildern die Zweischneidigkeit von Kinderspielen, die darin verborgenen Traumata und Träume.
Aber solche Werke sind heuer auf der Messe kaum mehr zu finden. Stattdessen irritieren die viel zu vielen Mini-Kojen, die gewollt gleichförmige Architektur der Stände, leider erstmals eine abnehmende Qualität der Galerien und eine entbehrliche Beliebigkeit der Kunst. Da hilft auch die Idee des Globalen Süden nicht – oder ist auch dieses Konzept ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer der vielen gesichtslosen Kunstmessen, die Monat für Monat irgendwo stattfinden? Die Turbulenzen der Art Dubai scheinen noch nicht überstanden zu sein.
veröffentlicht in: Die Welt, 23.3.2019