16. Art Dubai 2023: Wo bleiben die Russen?

12. Mrz. 2023 in Kunstmarkt, Kunstmesse

16. Art Dubai 2023 in der Hotelanlage Madinat Jumeirah, Dubai, United Arab Emirates. Foto Spark Media for Art Dubai

Am Anfang stand purer Optimismus: Die 2007 noch Gulf Art Fair genannte Messe sollte zum Zentrum der zeitgenössischen Kunst im Nahen Osten werden. Damals gab es kaum Galerien im Wüstenstaat, die Idee erschien hochgegriffen. Gehofft wurde auf arabische, indische und russische Sammler. 2008 dann dank der offiziellen Erlaubnis in Art Dubai umgetauft und von 41 auf 68 Galerien angewachsen, hat die Messe seither maßgeblich dazu beigetragen, dass Dubai zum wichtigsten Handelsplatz zeitgenössischer Kunst in der Region wurde. Zwar hielt sich die starke Präsenz der indischen Kundschaft nicht sehr lange. Dafür aber wuchs mit jeder neuen Ausgabe der regionale Markt und auch das Messepublikum stetig und rasant. Zur diesjährigen 16. Art Dubai nimmt nicht nur die Rekordzahl von 130 Galerien in den Sälen des luxeriösen Strandhotel Madinat Jumeirah teil. Auch sind die Eröffnungstage so gut besucht wie nie zuvor. Und nahezu jeder Stand bietet Kunst aus der Region.

16. Art Dubai 2023, Mario Mauroner Contemporary Art Galerie mit Werken von Rashid Al Kalifa. Foto Cedric Ribeiro_Getty Images for Art Dubai

Eins allerdings ging bisher nicht auf: Russische Sammler interessierten sich nur peripher für die Messe im Nahen Osten. Aus jüngst geleakten Grundbucheinträgen der künstlich aufgeschütteten Insel Palm Jumeirah in Dubai geht hervor, dass rund 500 russische Staatsbürger hier Immobilien besitzen, darunter einige aus dem engen Umkreis von Putin. Kommt mit ihnen jetzt endlich die erhoffte russische Klientel? Die Russen seien seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs „überall, man muss plötzlich in Restaurants reservieren und um Plätze in Bars kämpfen“, erzählt eine Sammlerin aus Dubai. Im Galerienzentrum Alserkal Avenue und auf der Messe dagegen sind die Aussagen vorsichtiger. In der auf Blue Chips konzentrierten Custot Gallery wird von „ein paar neuen russischen Käufern seit kurzem“ gesprochen. Mira Hawa von Designeast dagegen räumt ein, was viele bestätigen: Die meisten dieser neuen Besucher seien eher „scheu“, geben sich nicht gerne zu erkennen, zeigen viel Interesse, aber tätigen wenig Käufe. Oft sehe man die Nationalität erst anhand der abgegeben Visitenkarten, erzählt eine Mitarbeiterin der Leila Helller Gallery. Die in Dubai und New York ansässige Galerie ist auch auf der Art Dubai vertreten, wo ein deutlicher Anstieg russischer Besucher zu sehen sei. Messe-Direktor Pablo erwähnt auf Nachfrage, dass dieses Jahr drei russische VIP-Gruppen auf der 16. Art Dubai anwesend seien, eine rund um das zur Zeit geschlossene Moskauer Garage Museum. Von konkreten Kaufanfragen berichtet Edward Gallagher, Gründer der auf digitale Kunst konzentrierten Dubai-Galerie Galloire. Ein Kundenpaar habe sich für ein Bild von Paco Pomet mit einer kriegerischen Szene interessiert, was ihnen dann aber „emotional zu viel war“.

Art Dubai 2023, Leila Heller Gallery. Foto Spark Media for Art Dubai

Galloire ist in der mit schwarzen Wänden und dezenten Lichtstrahlern ausgestatteten Digital Art-Sektion der 16. Art Dubai zu finden. Hier werden NFTs angeboten. Immobilien in Dubai werden von Russen offenbar gerne mit Kryptowährungen bezahlt – zählen sie hier zur neuen Kundschaft? Letztes Jahr erstmals mit 17 Galerien begonnen, nehmen dieses Jahr 22 Aussteller teil, die ihre digitalen Werke überraschend klassisch wie Tafelbilder auf flimmernden Monitoren präsentieren. UAE NFT gehen dabei einen überraschenden Mittelweg: In Jason Seifes an einen Teppich erinnernden NFT-Komposition flattern Vögel und welken Blumen in kleinen Ausschnitten. Der große Monitor kostet 21 Ethereum (ETH), wer mag, kann für insgesamt 40 ETH noch dazu dasselbe Motiv als Acrylbild erhalten. 1 ETH liegt bei rund 5.700 Euro. Ihre Käufer kommen aus aller Welt, betonen sie. Aber ist die Zeit der NFTs nicht schon wieder vorbei? Im Gegenteil, widerspricht vehement das Team von Fakewhale X Objkt One. Aus der Schweiz stammend, bietet Fakewhale eine Sammlung „führender Blue Chip-Digitalkünstler“ an, wie sie es nennen; objktone wird als „neues Tor zu seltener Tezos-Kunst“ beschrieben. Gehandelt wird hier nicht mit ETH, sondern mit den erst 2017 gestarteten Tezos. Bezahlt werden kann unproblematisch mit Kreditkarten, während man für ETH zuerst ein sogenanntes Wallet einrichten muss – vielleicht auch ein Grund, warum Art Basel Miami mit Tezos kooperiert. Tezos entwickele sich gerade zur „Kunst-Währung“, betont das Team stolz. Sie bieten ihre NFTs als Unikate an, etwa ein Portraitfoto von Salvador Dali des legendären italienischen Fotografen Mimmo Dabbrescia, der als 80jähriger jetzt in den NFT-Markt einsteigt. Auch die Morrow Collection folgt dem Trend, NFTs nicht mit ETH sondern über Kreditkartenkäufe zu handeln. Am ersten Tag konnten sie aus ihrer 300er Auflage des „Collector´s Set“ bereits 40 NFTs zu je 950 US-Dollar verkaufen.

Efie Gallery auf der 16. Art Dubai 2023

Und die Russen? Wenn überhaupt auf der Art dubai von einer deutlichen Zunahme einer Nationalität unter den Kunden gesprochen wird, dann die auffallende Präsenz einer iranischen, libanesischen und auch afrikanischen Kundschaft. Dazu passen auch Neuzugänge wie die Efie Gallery. Gegründet von Valentina Mintah, die als IT-Koryphäe zu den zehn reichsten Frauen Ghanas gehört, betreibt sie die Galerie zusammen mit ihren beiden Söhnen. Spezialisiert auf zeitgenössische afrikanische Kunst, zeigen sie eine Mischung aus Superstars wie El Anatsui und Emerging Artists. Auf der Messe konnten sie gleich Abdoulaye Konatés „Etude de vert Touareg AK n° 7“ für 52,000 USD verkaufen. 2021 gegründet, eröffneten sie letztes Jahr ihre Räume in dem neuen Galerienzentrum Al Khayat Art Avenue, nur fünf Autominuten von der Alserkal Avenue entfernt. Hier werden bald auch zwei weitere, von Russen betriebene Galerien starten. Damit folgen die Galeriezentren dem Trend, der die Art Dubai seit Jahren auszeichnet: Der Golfstaat entwickelt sich als multinationaler Handelsplatz für klassische bis digitale Kunst, getragen von einer beeindruckenden Summe vieler Nationalitäten.

veröffentlicht in: NZZ online, 6.3.2023