Art SG in Singapur – Konkurrenz für Hongkong?

23. Jan. 2023 in Biennalen, Kunstmarkt

Singapur 2023. Foto SBV

Viermal verschoben, eröffnete letzte Woche endlich die erste Art SG in Singapur. Kann in dem zwar finanzstarken, aber kulturell wenig etablierten Stadtstaat ein Kunstmarkt entstehen? Vielleicht sogar eine Konkurrenz für die Art Basel Hongkong?
Vor zehn Jahren galt Singapur als Hotspot des Kunstmarkts. Mit der Art Stage begann sich der kleine Stadtstaat als neuer Messestandort zu etablieren. Anders als die westlich dominierte Art Basel Hong Kong lebte die Art Stage Singapur von regionalen Galerien. Messe-Gründer Lorenzo Rudolf verstand sein Projekt als Brücke zwischen den südostasiatischen Kulturen. Einige westliche Galerien wie Ursula Krinzinger aus Wien nahmen hoffnungsvoll an der Messe teil. Andere wie Matthias Arndt eröffneten sogar eine Filiale in Singapur, in dem ehemaligen Militärgebiet Gilman Barracks, das mit staatlichen Mitteln in ein Kulturareal verwandelt wurde.
Wenige Jahre später endete der Traum. Die westlichen Galerien zogen sich zurück. Für sie funktionierte Singapur nicht als Marktplatz. 2019 endete auch Art Stage, da sich kaum eine Galerien angemeldet hatten. Jetzt startet Singapur einen zweiten Anlauf: Viermal verschoben, zuletzt wegen Corona, eröffnete letzte Woche endlich die brandneue Art SG. Messebetreiber sind Sandy Angus von Angus Montgomery Arts, sein Co-Partner Magnus Renfrew und als Mitinhaber gehören der Baseler Messegesellschaft MCH wenige Anteile. 164 Galerien aus 35 Ländern nahmen teil, darunter die Megagalerien Gagosian, Pace, David Zwirner, Ropac, aber auch die deutschen Galerien Konrad Fischer und Gisela Capitain. Die Werkauswahl an ihren Ständen zeugte von einer großen Unsicherheit, was genau denn auf diesem Markt eine Chance haben könne. So dominierte viel gefällige Malerei in allen Preisklassen.

Installation shot of ART SG 2023 (Courtesy of ART SG & BANK)

Verteilt über zwei Ebenen im Kongresszentrum gleich neben dem Marina Bay Hotel logierten im Untergeschoß die Westgalerien, die regionalen Galerien bespielten ebenerdig weitaus kleinere Stände. Das mag nach einem fatalen Ungleichgewicht klingen, erwies sich allerdings als perfekte Struktur. Anders als auf der Art Stage schlenderten jetzt nicht mehr blasierte Expats und wohlhabende Rentner durch die Gänge, auch kaum westliche Sammler, sondern vor allem junge Menschen aus der Region. Gerade für sie funktionierten die oft farbenfröhlichen Werke asiatischer Künstler:innen als niedrigschwelliger Eintritt perfekt. Aber wird das Konzept aufgehen, hier einen auch für teure Westkunst offenen Kunstmarkt aufzubauen? Vor zehn Jahren hofften die Galerien auf kauffreudige Finanzunternehmen und Hotels. Ein Irrglauben. Kaufen jetzt die Jungen, die mit IT gut verdienen? Oder die überraschend hohe Zahl chinesischer Familienstiftungen und Kleinunternehmer, die in den letzten Monaten nach Singapur übersiedelten und sich hier registrieren lassen? „Singapur-washing“ wird das genannt: „Sobald ein Unternehmen hier eingetragen ist, erhöht es juristisch gesehen enorm das Vertrauen“, erklärte ein Insider die Situation. Kann daraus in Singapur eine kunstaffine Gesellschaft heranwachsen? Noch ist die lokale Kunstszene nämlich sehr klein. Es gibt zwar mehrere Museen, einige Galerien, seit 2006 findet die Singapur Biennale statt, die heuer gänzlich konzeptbefreit keinen Titel, sondern einen Namen trägt: „Natascha“. Rund 100 Werken von 50 Künstler:innen sind in den umfunktionierten Lagerräumen des ehemaligen Hafens in einem inhaltlich losen Parcours noch bis Mitte März zu sehen.

Installation view of Haegue Yang’s The Hybrid Intermediates – Flourishing Electrophorus Duo (The Sonic Intermediate – Hairy Carbonous Dweller and The Randing Intermediate – Furless Uncolored Dweller) (2022), as part of Singapore Biennale 2022/23

Aber das Publikum für diese Veranstaltungen ist überschaubar und eine Kaufkundschaft so minimal, dass die wenigen Künstler:innen in Singapur kaum von ihrer Kunst leben können. Das weiß auch die nationale Förderinstitution National Arts Council (NAC), die seit 2012 die Singapore Art Week (SAW) organisiert und die Messe stark unterstützt. Ziel der SAW ist es, die Kunst tiefer in der Gesellschaft zu verankern, wofür heuer sogar Ausstellungen in Shops stattfanden, im nagelneuen Einkaufszentren Funan und im kurz vor dem Abriss stehenden, 50 Jahre alten Tanglin Centre. Laut des gerade vorgestellten „Arts Plan“ will das NAC den Kunst- und Kreativsektor in den nächsten fünf Jahren intensiv mit Gemeinschaftsprojekten in der Gesellschaft verankern – nicht zuletzt, um Singapur als Kunstmarktplatz zu stärken. Aber kann aus Bastelworkshops eine neue Kundschaft für die Art SG entstehen? Natalie Tan vom NAC ist absolut zuversichtlich. Aber in Singapur verlaufe alles langsam, erklärt sie im Gespräch. Auch Sandy Angus geht von einer mehrjährigen Anlaufphase aus. Der Messe-Auftakt jedenfalls zeigt ein klares Interesse: 42.706 Besucher kamen zur Art SG. Einige Galerien meldeten hochpreisige Verkäufe, White Cube etwa einen Anselm Kiefer an einen indonesischen Sammler; Albertz Benda aus New York konnte die retrofuturistischen Werke von Devon DeJardin ausverkaufen.

Stand von Pearl Lam mit Werken von Mr Doodle, Art SG 2023. Foto SBV

Kann die Art SG vielleicht in den nächsten Jahren die Vormachtstellung der Art Basel Hong Kong kippen? Durch die zunehmende Dominanz der chinesischen Regierung scheint das Vertrauen in den dortigen Markt irritiert zu sein. Sandy Angus verneint solche Überlegungen entschieden. Er organisiert in Hongkong die wenige Meter von der Art Basel stattfindende Messe Art Central und zweifelt keine Sekunde an der fortdauernden Bedeutung der chinesischen Sonderverwaltungszone für den Kunstmarkt. Singapur sieht er als Ergänzung, ebenso wie seine für den kommenden Sommer geplante Messe Tokyo Gendai in Japan. In Südostasien gebe es sehr starke Sammlerszenen – genug Kapazität für mehrere erfolgreiche regionale Messen.

veröffentlicht in: Die Presse, 22.1.2023
Art SG, Singapur, 12.-15.1.2023

BLAXK by Action City x Rex Lee im Funan Shopping Centre. Teil der Sinapore Art Week 2023. Foto SBV

Ausstellung For the House, Against the Hose im Tanglin Shopping Centre, 19 Tanglin Road. Foto SBV