Dauerleihgaben sind das Thema unserer Zeit. Denn kein Museum kann heute mehr die Lücken ihrer Sammlung allein durch Ankäufe erweitern, zu niedrig ist das Budget, zu hoch die Preise im Kunsthandel. In den letzten Jahren hat sich daher dieser Ausweg etabliert: Die Museen rittern um private Sammler in der Hoffnung auf Akquisition. Mit diesem aus dem englischen entlehnten Begriff kündigte die Albertina gerade ihren neuesten Zuwachs an, rund 400 Werke des Kölner Ex-Galeristen Rafael Jablonka. Akquisition? Dieser Begriff ist ziemlich diffus: Handelt es sich dabei um eine Schenkung, eine Stiftung oder eine Dauerleihgabe? Geschenktes gehört dem Museum, die anderen Modelle verursachen Kosten ohne letztgültige Garantie des Verbleibs. Denn die Krux ist die Frage möglicher Rückforderungen. Diese Unsicherheit bestehe gar nicht, wiegelte Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder im Gespräch ab. Das mag stimmen, aber obwohl Museen staatlich finanzierte Einrichtungen sind, bleiben die Verträge streng geheim. Auch jener mit der Stiftung Jablonka, die laut Aussagen des Stifters unbefristet übergeben wurde – Anmerkung: im Oktober 2020 dann als auf „Probezeit“ von 7 Jahren korrigiert wurde.
Und Details des Vertrags erfährt man keine. Dabei liegen darin oft Stolpersteine, besonders in der Kategorie Dauerleihgabe. Dieser Hybrid ist ein paradoxer Begriff. Entweder Dauer, also Schenkung, oder Leihgabe. Christoph Thun-Hohenstein, Direktor des MAK (Museum für Angewandte Kunst Wien) erklärt zwei Gründe für Dauerleihgaben: Sein Museum benötigt manchmal bestimmte Objekte gezielt als Schlüsselwerke. Wenn weder ein Ankauf noch eine Schenkung möglich ist, wird der Weg einer Leihgabe gewählt. Das kann für die Dauer einer Ausstellung sein oder auch langfristig im Rahmen der Permanentpräsentation wie einzelne Möbeln oder Glasobjekten in „Wien um 1900“. Der zweite Grund ist die Hoffnung auf eine später erfolgende Schenkung. Bei beiden Wegen gilt: „Dauerleihgaben sind nicht dafür da, im Depot zu landen.“ Aus diesem Grund entschied auch Karola Kraus, Direktorin des MUMOK, sämtliche im Depot weilende Dauerleihgaben zurückzugeben. Stattdessen setzt sie auf Schenkungen und konnte seit ihrem Antritt als Direktorin 930 Werke an das Museum holen. Neue Dauerleihgaben schließt Kraus kategorisch aus: „Ich habe Probleme, wenn unser Museum mit Kunstmarkt-Spekulationen in Verbindung gebracht wird“, erklärt sie im Gespräch. Einzige Ausnahme ist die Österreichische Ludwig Stiftung, die seit ihrer Gründung 1981 zentrale Werke für das Museum ankauft, allein seit 2010 77 Werke, darunter eine Skulptur von Cy Twombly und Schlüsselwerke von Ree Morton. Im Vertrag mit der Stiftung ist fixiert, dass die Werke fest an das MUMOK gebunden sind.
Problematisch sieht auch der Rechnungshof die Entscheidung für Dauerleihgaben, die er im Bericht zur Albertina von 2018 scharf kritisierte. Denn für die Museen bedeutet diese Konstruktion Kosten für Lager, Versicherung und mögliche Restaurierungen. Für die Leihgeber bedeutet es eine fröhliche Wertsteigerung. Interessant ist das Modell der Sammlung Essl: 40 Prozent wurden der Albertina als Schenkung übergeben, 60 Prozent sind eine Dauerleihgabe (Hans Peter Haselsteiner/SE Sammlung Essl GmbH) bis vorerst 2047, wobei einzelne Werke daraus durchaus verkauft werden können. Laut Rechnungshofbericht kann die Leihgabe nach Ablauf der Frist mit einer Kündigungsfrist von zwei Jahren jederzeit abgezogen werden. Die im Namen der Albertina verankerte Sammlung Batliner dagegen ist eine Stiftung, die dem Museum nicht gehört, sondern nur angedockt ist, immerhin unbefristet. Die damit einhergehenden Versicherungskosten seien trotz der enormen Werte nur ein minimaler Kostenfaktor, betont Schröder: „Wir zahlen den Bruchteil einer Promille an Versicherungsprämie, bei Batliner rund 140.000 Euro für knapp eine Milliarde Wert im Jahr.“
Ist es vertraglich nicht ausgeschlossen, so können Stifter oder ihre Nachkommen jederzeit Werke entnehmen. Das kann kostspielig werden, in Österreich fallen dabei 27.5 Prozent Kapitalertragssteuer an. In Liechtenstein dagegen beträgt dieser Steuersatz nur 12.5 Prozent. Immer wieder hört man die Vermutung, dass die Nachkommen des im Juni verstorbenen Sammlers Herbert Batliner genau diesen Schritt vornehmen könnten. 2007 übergab der liechtensteinische Anwalt rund 500 Bilder vom Impressionismus bis zur Gegenwart der Albertina. Später kamen weitere Werke dazu, die er in enger Absprache mit Direktor Schröder für das Museum ankaufte, darunter zunehmend zeitgenössische Kunst, Arnulf Rainer, Maria Lassnig, Alex Katz. Laut Rechnungshof kann die Sammlung Batliner ab 2027 „bei Vorliegen eines anderen, im Vertrag genannten Grundes“ jederzeit gekündigt werden. Schröder weist solche Spekulationen weit von sich: Für Batliner sei es wichtig gewesen, dass seine Stiftung nicht zerrissen wird und in der Albertina bleibe. Die Details des Vertrags sind nicht öffentlich, aber im Rechnungshofbericht ist die Rede einer Vertragskündigung bei einer Entscheidung für ein eigenes Batliner-Museum. Auch da wiegelt Schröder ab: Das eigene Haus müsse in Österreich entstehen, was er für ausgeschlossen hält. Denn die Sammlung ist „hochkarätig, aber überschaubar“. Ein zweiter Grund für die Kündigung wäre eine Übergabe an ein anderes Haus, aber nur unter ähnlichen Bedingungen, also eine „vergleichbare Metropole wie Wien und in ein vergleichbares Weltmuseum wie die Albertina“ – was laut Schröder eine Übergabe in das Kunstmuseum Liechtenstein ausschließe.
Ob Stiftung, Leihgabe oder Schenkung – zumindest für die Albertina sind diese Zuwendungen existentiell entscheidend. Denn ohne solche Zuwendungen von Privaten hätte die für ihre graphische Sammlung berühmte Albertina nie ein Museum für Malerei bis zur Gegenwart werden können. So können geschickt angefragte Akquisitionen nicht nur Lücken füllen, sondern ganze Museen neu bestimmen.
veröffentlicht in: Presse, 25.8.2019