13. Sharjah Biennale, 11. Art Dubai 2017

10. Apr. 2017 in Biennalen, Kunstmarkt, Kunstmesse

Oscar Murillo, Conditions yet not known, 2014–2017, mixed media. Foto Sharjah Art Foundation

Oscar Murillo, Conditions yet not known, 2014–2017, mixed media. Foto Sharjah Art Foundation

Lange Tücher flattern wie müde Fahnen in massiven Stahlgerüsten, Ziegel liegen herum, Erdhaufen sind aufgetürmt. Schwarz ist die beherrschende Farbe, aggressiv die Stimmung, irritierend die achtlos auf dem Boden liegenden Zeichnungen. „Conditions yet not known“ nennt Oscar Murillo seine Installation auf der 13. Sharjah Biennale. Unter dem Titel zeigte er bereits 2015 eine Installation in der Galerie David Zwirner in London. Jetzt ist die vielteilige Assemblage weitaus radikaler. Rundherum sind Fenster sind mit Ziegeln verbarrikadiert und in dem aufgerissenen Boden liegen wie in Schützengräben Gemälde. Auf Leinwand aufgespannt, wären diese Werke Millionen Wert. Hier aber dienen sie dem Kunstmarktstar als Elemente, um eine bedrohliche Stimmung zu erzeugen. Bei einem Flug über die Region sei ihm bewusst geworden, dass rechts und links der Route Krieg herrscht. Die Installation sei davon geprägt, erklärte er mir im Gespräch.

Rain Wu and Eric Chen, Collectivism, 2016. Schilder, Pflanzen, Erde, Stahl. Commissioned by Taipei Biennial, Courtesy Künstler, Foto Sharjah Art Foundation

Rain Wu and Eric Chen, Collectivism, 2016. Schilder, Pflanzen, Erde, Stahl. Commissioned by Taipei Biennial, Courtesy Künstler, Foto Sharjah Art Foundation

Murillos Installation gehört zu den Höhepunkten der heurigen 13. Sharjah Biennale (10.3.-12.6.2017). Die 1993 gegründete Großausstellung ist die wichtigste Ausstellung im Nahen Osten. Nahezu parallel eröffnete ein zweites, zentrales Kunstereignis der Region, die 11. Art Dubai. Die beiden Emirate sind rund 20 Autominuten voneinander entfernt, der Besuch der Biennale ist fixer Teil im Programm der Messe. Die beiden Kunstereignisse könnten unterschiedlich kaum sein – oder doch nicht?
13. SHARJAH BIENNALE

Joe Namy, Libretto-o-o: A Curtain Design in the Bright Sunshine Heavy with Love, 2017. Vorhang, Stereo Sound. Commissioned by Sharjah Art Foundation, Foto Sharjah Art Foundation

Joe Namy, Libretto-o-o: A Curtain Design in the Bright Sunshine Heavy with Love, 2017. Vorhang, Stereo Sound. Commissioned by Sharjah Art Foundation, Foto Sharjah Art Foundation

70 Künstler nehmen an der Biennale teil, mehr als die Hälfte der Werke entstand eigens für die Ausstellung. Als Thema gab die in Beirut lebende Kuratorin Christine Tohmé die Metapher „Welle“ vor, als ein Bild für „Formvariationen“ und eine „Übung in Heterogenität“. So vage das ist, so facettenreich sind die Werke.

Baris Dogrusoz. Foto Sharjah Art Foundation

Baris Dogrusöz. Foto Sharjah Art Foundation

Manches kreist um Wasser wie die Digitaldrucke von Baris Dogrusöz: Mengen von kleinen Landkarten der Türkei formen eine bunte, harmlose Tapete. Das Material entnahm Dobrusöz Fernsehaufnahmen, es enthält Informationen zu geologischen Katastrophen.

Dineo Seshee Bopape (Detail). Foto Sharjah Art Foundation

Dineo Seshee Bopape (Detail). Foto Sharjah Art Foundation

Andere thematisieren Unruhen wie Dineo Seshee Bopape, die gerade auch den Future Generation Art Prize der ukrainischen Pinchuk Foundation gewann. Sie kombiniert in ihrer Installation „+/-1791 (monument to the haitian revolution 1791)“ Mengen von kleinen Objekten mit angebrannten Steinen und erinnert uns an die Parallelen der politischen Befreiung eines Landes und der spirituellen Befreiung: Steine und auch Benzin dienen nicht nur als Waffen, sondern gehören auch zu magischen Ritualen, können destruktiv, aber auch heilend eingesetzt werden.
11. ART DUBAI

Frank Stella am Stand der Gallery Marianne Boeske

Frank Stella am Stand der Gallery Marianne Broeske

Die meisten Künstler der Biennale stammen aus dem Nahen Osten, Marktstars wie Murillo sind die Ausnahme. Auch auf der Art Dubai dominieren Künstler der Region, vermischt mit einigen wenigen Superstars wie Frank Stella bei der New Yorker Galerie Marianne Broeske oder Thomas Zipp bei Krinzinger aus Wien. Dieses offensichtlich schrumpfende Interesse an Westkunst ist eine spannende Entwicklung. Als die Messe 2007 gegründet wurde, waren regionale Künstler die Ausnahme. In der kurzen Zeit hat sich das Verhältnis umgedreht, und damit auch die Themen der Kunst. Denn die meiste Kunst im Nahen Osten ist von den Unruhen, Kriegen und gesellschaftlichen Umbrüchen dominiert, etwa der kleine Bronze-Käfig am Stand der Agial Art Gallery (Beirut). Darin ist eine Figur in Handschellen zu erkennen.

Ginane Makki Bacho, Gallery Agial, Beirut

Ginane Makki Bacho, Agial Art Gallery, Beirut

Ähnliche Skulpturen zeigte die 70jährige Ginane Makki Bacho in einer riesigen Installation in der Galerie in Beirut, ein raumfüllendes Kriegsszenario.

Ginane

Ginane Makki Bacho, Agial Art Gallery, Beirut

Allein der kleine Bronzekäfig auf der Messe gibt schon einen Eindruck der bedrückenden Intensität dieses Werks. Dahinter hängt Abdul Rahman Katananis aus Stacheldraht geformter „Tornado“ – ein Bild für die Gewalt, die über Länder dieser Region fegt, wie Galerist Saleh Barak erklärt.
28.000 Besucher kamen heuer zur Art Dubai, erstmals verstärkt auch Sammler aus Tunesien und Ägypten. 94 Galerien aus 43 Ländern nahmen teil, darunter 8 Galerien aus Teheran. Während der Art Dubai Week, zu der auch die Messe Design Days Dubai und die beiden Galerienviertel DIFT und Alserkal Avenue gehören, wird laut Messedirektorin Myrna Ayad „35 Mio. Dollar in das Land gebracht. Lokale Galerien machen während der Tage 30 bis 60 Prozent ihres Jahresumsatzes.“ Aber nicht nur ökonomisch, auch kulturell ist die Messe immens wichtig. 1200 Schüler besuchten die Messe heuer, Biennale und Kunstmesse fungieren als Museumsersatz, Kunstinstitutionen gibt es noch nicht. Das wird sich aber bald ändern.

Louvre Abu Dhabi © TDIC, Architect Ateliers Jean Nouvel

Louvre Abu Dhabi © TDIC, Architect Ateliers Jean Nouvel

Noch in diesem Jahr wird das Louvre Abu Dhabi mit einer umfassenden ständigen Sammlung eröffnen.

Art Jameel Arts Centre, Nordseite, Courtesy Serie Architects

Art Jameel Arts Centre, Nordseite, Courtesy Serie Architects

Und Ende nächsten Jahres soll das 10.000 Quadratmeter große Jameel Arts Centre in Dubai als private Initiative fertiggebaut sein. Finanziert von der saudi-arabischen Art Jameel Foundation, ist es als Forschungs- und Ausstellungsort angelegt. Gerade gab die Stiftung auch eine neue Kooperation bekannt: Für das New Yorker Metropolitan Museum wurde ein Budget eingerichtet, um arabische Künstler für die amerikanische Sammlung anzukaufen. Das zeugt von einem neuen Selbstverständnis in der Region, die nicht mehr im Schatten der Westkunst steht. Da verwundert es auch kaum, dass das Guggenheim Abu Dhabi wohl in der bisher geplanten Form nicht zustande kommen wird – die Zeit der Westorientierung ist vorbei.